<html>
<head>
<meta http-equiv="content-type" content="text/html; charset=UTF-8">
</head>
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<p><br>
</p>
<div class="moz-forward-container"><br>
<div class="header"> Weiterleitung von Asyl.net:
<h3 itemprop="headline">Übersicht zur aktuellen Rechtsprechung
zu den Gesetzesänderungen im AsylbLG </h3>
</div>
<div class="footer">
<p> <span class="news-list-date"> <time datetime="2020-02-25">
25.02.2020 </time> </span> </p>
</div>
<div class="teaser-text" itemprop="description">
<p>Durch das sogenannte Migrationspaket wurde das
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) weitreichend geändert.
So wurden zum einen weitere Leistungskürzungen vorgesehen und
ein Leistungsausschluss eingeführt, zum anderen wurde die
Leistungshöhe für alleinstehende Erwachsene bei
Gemeinschaftsunterbringung gekürzt, indem diese in eine
niedrigere für Bedarfsgemeinschaften vorgesehene Bedarfsstufe
eingestuft wurden. Über die Rechtmäßigkeit dieser gesetzlichen
Änderungen liegen bereits verschiedene Gerichtsentscheidungen
vor – diese gehen mehrheitlich von der Verfassungswidrigkeit
der Neuregelungen aus. </p>
</div>
<div class="news-text-wrap" itemprop="articleBody">
<h4>Leistungskürzungen allgemein </h4>
<p>Das LSG Niedersachsen-Bremen stellt mit Entscheidung von
Dezember 2019 (<a href="https://www.asyl.net/rsdb/m27897/"
moz-do-not-send="true">M27897</a>) grundsätzlich infrage, ob
die Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG mit dem Grundrecht
auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums
vereinbar sind. Hierbei bezieht es sich auf die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts von November 2019 zu Sanktionen
für Personen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen (<a
href="https://www.asyl.net/rsdb/m27819/"
moz-do-not-send="true">M27819</a>). Das BVerfG hatte
entschieden, dass die Kürzung von Arbeitslosengeld („ALG-II“)
bei Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten teilweise
verfassungswidrig ist. Sozialrechtliche Sanktionen dürften nur
dann verhängt werden, wenn es den Betroffenen möglich sei,
diese durch ihr eigenes Verhalten wieder zu beseitigen, es
dürfe kein Fehlverhalten nachträglich bestraft werden. Unter
Bezug auf diese Argumentation hält das LSG
Niedersachsen-Bremen es für nicht hinreichend geklärt, ob die
Leistungskürzungen bei Einreise zum Zweck des Leistungsbezugs
("Um-zu-Einreise") nach § 1a Abs. 2 AsylbLG rechtmäßig sind.
Es stellt angesichts der BVerfG-Rechtsprechung darüber hinaus
allgemein die Kürzungen nach § 1a AsylbLG in Bezug auf ihre
Verfassungsmäßigkeit in Frage (siehe zum Urteil des BVerfG und
dessen Auswirkungen auf das AsylbLG auch Claudius Voigt,
Gesetzlich minimierte Menschenwürde, <a
href="https://www.asyl.net/asylmagazin/inhalt/" title="Opens
internal link in current window" class="internal-link"
moz-do-not-send="true">Asylmagazin 1-2/2020, S. 12-21</a>).
</p>
<h4><br>
Leistungskürzungen bei Dublin-Bescheid und bei Anerkannten </h4>
<p>Auch die in § 1a Abs. 7 AsylbLG vorgesehene
Anspruchseinschränkung bei Unzulässigkeitsablehnung wegen
Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staats wird in den uns
vorliegenden Entscheidungen als rechtswidrig eingestuft. Das
SG Cottbus (M28068) führt unter Bezug auf die oben genannte
Entscheidung des BVerfG aus, aufgrund des Eingriffs in das
physische und soziokulturelle Existenzminimum sei die
Vorschrift teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass eine
Anspruchseinschränkung stets ein pflichtwidriges Verhalten der
leistungsberechtigten Person voraussetzt. Die Leistungskürzung
des § 1a Abs. 7 AsylbLG knüpfe jedoch nicht an ein
individuelles Fehlverhalten an, sondern sanktioniere allein
die unerwünschte Sekundärmigration innerhalb Europas. Zudem
komme eine Leistungskürzung auch dann nicht in Betracht, wenn
die Rückkehr in das nach der Dublin-VO für das Asylverfahren
zuständige Land aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen
unmöglich oder unzumutbar ist. Dies sei zumindest für eine
schwangere Frau in Hinblick auf Griechenland nicht
auszuschließen. </p>
<p>Auch das SG Landshut (<a
href="https://www.asyl.net/rsdb/m28033/"
moz-do-not-send="true">M28033</a>) lehnt eine
Leistungskürzung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG ab, wenn kein
konkretes "Fehlverhalten" vorliege. Die bloße Anwesenheit im
Bundesgebiet, die schlichte Nicht-Ausreise sowie die Stellung
eines Asylantrags würden ein solches nicht darstellen und
könnten deshalb auch nicht sanktioniert werden. </p>
<p>Mit ähnlicher Begründung verneint das SG Berlin (<a
href="https://www.asyl.net/rsdb/m28027/"
moz-do-not-send="true">M28027</a>) die gesetzlich
vorgesehene Leistungskürzung bei Personen, denen in einem
anderen europäischen Staat bereits internationaler Schutz
zuerkannt wurde. Das Gericht lehnt in diesen Fällen von
sogenannten Anerkannten die Zumutbarkeit der Rückkehr ab, wenn
im schutzzuerkennenden Staat Menschenrechtsverletzungen
drohen. Dies sei bei einer Rückkehr von Schutzberechtigten
nach Griechenland anzunehmen. </p>
<h4>Niedrigere Bedarfsstufe für Alleinstehende bei
Gemeinschaftsunterbringung </h4>
<p>Durch das Migrationspaket wurden heftig kritisierte
Regelungen eingeführt wonach Alleinstehende, die in einer
Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sind, in eine niedrigere
Bedarfsstufe eingestuft werden und somit geringere Leistungen
erhalten. Begründet wurde diese Reduzierung damit, dass die
Betroffenen als „Schicksalsgemeinschaft“ die „Obliegenheit“
hätten gemeinsam zu wirtschaften. Dies ist sowohl bei Bezug
von AsylbLG- Grundleistungen (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 Bst. b
AsylbLG) als auch bei sogenanntem Analogleistungsbezug (§ 2
Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG) vorgesehen. Die Herabstufung wird
von der uns vorliegenden Rechtsprechung überwiegend für
verfassungswidrig gehalten. Auch hier liege ein Verstoß gegen
das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG
vor. Zudem wird ein Verstoß gegen den allgemeinen
Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG angenommen. </p>
<p>Gerichte stützen sich hierbei zum einen auf fehlende
empirische Erkenntnisse zu möglichen „Einspareffekten“ für
Bewohner*innen von Sammelunterkünften, die der Neuregelung
zugrunde gelegt wurden. Mit dieser Begründung gab das SG
Landshut (<a href="https://www.asyl.net/rsdb/m27766/"
moz-do-not-send="true">M27766 </a>und <a
href="https://www.asyl.net/rsdb/m28033/"
moz-do-not-send="true">M28033</a>) Eilrechtsanträgen statt.
Zudem sei nicht davon auszugehen, dass nicht miteinander
verwandte Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft die
Voraussetzungen für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft
erfüllen. Diese Auffassung teilen auch das SG Freiburg (<a
href="https://www.asyl.net/rsdb/m28016/"
moz-do-not-send="true">M28016</a>), das SG Frankfurt a.M. (<a
href="https://www.asyl.net/rsdb/m28040/"
moz-do-not-send="true">M28040</a>) sowie das SG Hannover (<a
href="https://www.asyl.net/rsdb/m27968/"
moz-do-not-send="true">M27968</a>), welche ebenso von einer
Verfassungswidrigkeit der niedrigeren Einstufung ausgehen. </p>
<p>Das SG Freiburg führt zu dem Verstoß gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz zudem aus, dass die Unterbringung in
Sammelunterkünften bundesweit nicht einheitlich ausgestaltet
sei, sodass die pauschale Annahme von Synergieeffekten der
Vielfalt von Unterbringungsformen keine Rechnung tragen würde.
Auch sei kein sachlicher Grund für die unterschiedliche
Behandlung im Vergleich zu alleinstehenden Personen erkennbar,
die Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII beziehen und die
ebenfalls in einer Gemeinschaftsunterkunft leben. Diesen
würden keine Einspareffekte unterstellt werden, obwohl sie
sich in der identischen Wohnsituation befinden. </p>
<p>Lediglich das SG Berlin (<a
href="https://www.asyl.net/rsdb/m28022/"
moz-do-not-send="true">M28022</a>) geht zumindest für die
Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens davon aus,
dass geringere Leistungen bei Gemeinschaftsunterbringung
vorläufig hinnehmbar seien. Da es gesetzlich vorgesehen sei,
dass Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums im
Einzelfall bei Mitwirkungspflichtverletzung gekürzt werden
könnten, sei die Minderung des Bedarfssatzes um 10 % bis zur
Entscheidung in der Hauptsache hinzunehmen.</p>
</div>
<h4> Links </h4>
<pre class="moz-signature" cols="72">--
Dörthe Hinz
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
BUMF e.V.-Landeskoordinatorin Niedersachsen
Röpkestr. 12
30173 Hannover
Tel.: 0511/98 24 60 30
Durchwahl: 0511/98 24 60 37
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