[juF-nds] Nachzug zu volljährig gewordenem Flüchtling: OVG Berlin-Brandenburg verpflichtet zur Visumserteilung

Dörthe Hinz - Flüchtlingsrat Nds. dh at nds-fluerat.org
Di Mär 12 15:08:22 CET 2019


*Nachzug zu volljährig gewordenem Flüchtling: OVG Berlin-Brandenburg 
verpflichtet zur Visumserteilung
*

weitergeleitet vom Bundesfachverband umF e.V. <www.b-umf.de>

Das OVG Berlin-Brandenburg, welches die alleinige Zuständigkeit bei 
Visumsverfahren hat, hat der Praxis des Auswärtigen Amtes, den Nachzug 
zu volljährig gewordenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF) 
zu verweigern, in einem weiteren Fall eine Absage erteilt. Das Urteil 
des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 12. April 2018 müsse 
beachtet werden. Bisher wird das Urteil durch die Bundesregierung nicht 
umgesetzt <https://b-umf.de/p/aktualisierte-hinweise-zum-eugh-urteil/>.

In einem Verfahren des „vorläufigen Rechtsschutzes“ hat das Gericht die 
Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, der minderjährige Schwester 
eines in Deutschland lebenden ehemaligen umF gemeinsam mit ihrer Mutter 
ein Visum zur Einreise auszustellen (OVG Berlin – Brandenburg; 
19.12.2018 OVG – 3 S 98.18 
<http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/279b/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=MWRE190000087&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint>). 
Dabei hat das Gericht die Notwendigkeit einer europarechtskonformen 
Auslegung des deutschen Aufenthaltsrechts im Sinne des EuGH-Urteils vom 
12. April 2018 festgestellt:

    Hier ist der Mutter der Antragstellerin ein Visum nach § 36 AufenthG
    Abs.1 zwar nur mit Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2018, bis zur
    Volljährigkeit ihres als Flüchtling anerkannten Sohnes A., erteilt
    worden. Mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen
    Union vom 12. April 2018 (EUGH Aktenzeichen C55016 C-550/16), wonach
    ein Drittstaatsangehöriger, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das
    Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und der Stellung seines
    Asylantrags in diesem Staat unter 18 Jahre alt war, aber während des
    Asylverfahrens volljährig wird und dem später die
    Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als „Minderjähriger“ im Sinne
    des Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 anzusehen ist
    (EuGH, Urteil vom 12. April 2018 […], spricht aber Überwiegendes
    dafür, dass die Mutter der Antragstellerin nach ihrer Einreise in
    das Bundesgebiet trotz zwischenzeitlichen Eintritts der
    Volljährigkeit ihres Sohnes A. gegenüber der Beigeladenen einen
    Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 1
    AufenthG haben wird. Der Anspruch auf Familienzusammenführung auch
    nach Eintritt der Volljährigkeit des zunächst noch minderjährigen
    Flüchtlings würde seiner praktischen Wirksamkeit (zu diesem
    Gesichtspunkt vgl. EuGH, Urteil vom 12. April 2018 […]) beraubt,
    wenn sich der Erteilung eines Visums nicht ein Aufenthalt zumindest
    von einer gewissen Dauer anschließen würde [….].

    (OVG Berlin – Brandenburg; 19.12.2018 OVG – 3 S 98.18 
<http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/279b/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=MWRE190000087&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint>)

Ähnlich wurde bereits in einem anderen Verfahren entschieden (OVG 
Berlin-Brandenburg, 04.09.2018 – OVG 3 S 47.18, OVG 3 M 52.18 
<https://www.asyl.net/rsdb/m26617/>).

Zudem bestätigt das Gericht seine Rechtsprechung zum Nachzug 
minderjähriger Geschwister, wonach mit Blick auf höherrangiges Recht und 
Familienschutz (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK sowie Art. 24 Abs. 
2 und Abs. 3 Europäische Grundrechte Charta) im Einzelfall auf die 
Sicherung des Lebensunterhaltes verzichtet werden kann und das dem 
nachzugsberechtigten Elternteil im Rahmen des Elternnachzugs nach § 36 
Abs. 1 AufenthG erteilte Visum ausreichende Grundlage für den 
Kindernachzug nach § 32 AufenthG sein kann (vgl. auch VG 
Berlin-Brandenburg, 22.12.2016– OVG 3 S 98.16 
<https://www.asyl.net/rsdb/M24860/>).

Ob das Urteil auf Fälle aus Ihrer Praxis anwendbar ist, hängt von den 
Umständen des Einzelfalles ab.


Zum Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg, 19.12.2018 - 3 S 98.18 
<http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/279b/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=MWRE190000087&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint> 


Zum Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union, 12.4.2018 - C‑550/16 
<http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=200965&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1> 


Zu den Hinweisen des BumF zur Umsetzung des EuGH-Urteils in Deutschland 
<https://b-umf.de/p/aktualisierte-hinweise-zum-eugh-urteil/>

Herzliche Grüße,

-- 
Dörthe Hinz

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