[juF-nds] Coronapandemie: Flüchtlingsrat fordert generelle Aussetzung von Abschiebungen
Dörthe Hinz - Flüchtlingsrat Nds.
dh at nds-fluerat.org
Mo Dez 14 14:48:50 CET 2020
-------- Weitergeleitete Nachricht --------
*Coronapandemie: Flüchtlingsrat fordert generelle Aussetzung von
Abschiebungen
Abschiebungcharter nach Afghanistan wäre purer Zynismus*
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert die niedersächsische
Landesregierung auf, vor dem Hintergrund des bundesweiten Lockdowns alle
Abschiebungen auszusetzen. Empört und entsetzt ist der Flüchtlingsrat
insbesondere darüber, dass die Bundesregierung nach einem neunmonatigen
pandemiebedingten Abschiebungsmoratorium im Dezember erstmals wieder
eine Charterabschiebung nach Afghanistan durchführen will.
Bereits am 07. Dezember hat ein breites Bündnis an die
Innenmionisterkonferenz appelliert, Abschiebungen auszusetzen. Wörtlich
heißt es in der gemeinsamen Erklärung
<https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2020-12-07-Aufruf_Keine-Abschiebungen-waehrend-einer-Pandemie.pdf>:
"Zahlreiche Herkunftsländer von Asylsuchenden haben marode
Gesundheitssysteme und sind nicht in der Lage, an dem Virus Erkrankte zu
versorgen. Auch Staaten mit einem relativ gut aufgestellten
Gesundheitssystem kommen an ihre Kapazitätsgrenze. Die Zahl der
Corona-Infizierten steigt weltweit dramatisch, ganz zu schweigen von der
rasant steigenden Zahl der Toten. Dennoch werden Menschen in Länder
abgeschoben, in denen sich die Pandemie katastrophal auswirken könnte
oder es bereits tut. Das Risiko für ihre Gesundheit und körperliche
Unversehrtheit ist immens". Aus diesem Grund forderte die große Mehrheit
der Integrationsbeauftragten der Länder bereits im April 2020 einen
bundesweiten Abschiebungsstopp
<https://www.thueringen.de/mam/th10/ab/gemeinsame_erklarung_der_beauftragten_27.03.2020.pdf>:
Im Hinblick auf die Rechtssicherheit der Betroffenen, aber auch auf die
weitere Ausbreitung des SARS-CoV-2 und die sehr dynamische Entwicklung
in vielen Herkunftsländern sind klare Regelungen geboten. Es bedarf
eines generellen vorübergehenden Abschiebestopps in allen Bundesländern."
"Dass trotz des nun auch in Deutschland ausgerufenen Lockdownsmeine
bundesweite Charterabschiebung ausgerechnet in das vom Bürgerkrieg und
einer grassierenden Pandemie
<https://proasyl.gu-marketingsuite.com/Prod/link-tracker?redirectUrl=https://www.n-tv.de/panorama/Fast-jeder-Dritte-soll-infiziert-gewesen-sein-article21954553.html&a=1000402738&account=proasylde%2Eactivehosted%2Ecom&email=F5SFoHV9fYaWYQD3EzknA5Mq9%2FijNC4HvKea94OQk18%3D&s=09420557f3553fd86d8d305947fad5f1&i=159A289A8A1950>
heimgesuchte Afghanistan stattfinden soll, ist purer Zynismus",
kritisiert Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsen.
"In Afghanistan droht nach dem absehbaren Abzug der westlichen Truppen
eine erneute Taliban-Herrschaft, Verfolgung und Konflikte werden eher
weiter eskalieren."
Auch für andere Geflüchtete fordert der Flüchtlingsrat eine generelle
Aussetzung von Abschiebungen und die Schließung der
Abschiebungshaftanstalt. "Es kann und darf nicht sein, dass Menschen,
die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, festgenommen, inhaftiert
und in Abschiebungsflieger gezwungen werden zu einem Zeitpunkt, zu dem
alle Welt aufgefordert ist, Kontakte und unnötige Reisen zu vermeiden.
Eine solche leichtfertige und fahrlässige Gefährdung der Gesundheit
nicht nur der betroffenen Flüchtlinge, sondern auch aller beteiligten
Beamt_innen wäre verantwortungslos. Der niedersächsische Innenminister
muss ein Machtwort sprechen und alle Abschiebungen bis auf Weiteres
aussetzen. Insbesondere gegen die vom BMI geplante Charterabschiebung
nach Afghanistan fordern wir vom niedersächsischen Innenministerium eine
eindeutige Erklärung, dass sich Niedersachsen daran nicht beteiligen wird.
Afghanistan-Experte Thomas Ruttig
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geht davon aus, dass die jetzt trotz fortbestehender Corona-Pandemie
wieder bestehende Bereitschaft der afghanischen Regierung zur
Entgegennahme von Abschiebungschartern mit dem Abschluss der
Geberkonferenz in Genf am 23. und 24. November zusammenhängt. Dort wurde
Afghanistan die Weiterfinanzierung der Entwicklungshilfe bis 2024
zugesagt und in der Abschlusskommuniqué die »Bekämpfung irregulärer
Migration«
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beschlossen.
*Hintergrund zu Abschiebungen nach Afghanistan
*
Vorangegangen war der ersten Sammelabschiebung
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14.12.2016, mit der 34 Menschen abgeschoben wurden, die Aufnahme von
Verhandlungen de Maizières mit der afghanischen Regierung im Februar
2016, die im Oktober in einem bilateralen Rückführungsabkommen
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mündeten. Ebenfalls im Oktober 2016 kam es auch zu einem
Rückführungsabkommen zwischen der EU und Afghanistan. Bereits im März
2016 lagen hierzu passend geheimePläne der EU zur Abschiebung von
80.0000 Afghanen
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vor. Zeitgleich zu diesen europäischen Plänen wurde hierzulande nach
Recherchen der ZEIT seitens des Innenministeriums Druck auf das ihm
unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgeübt
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die Schutzquote nach unten zu drücken. Lag diese noch im Jahr 2015 bei
78 %, sank sie in Folge des Drucks seitens des Dienstherrn des
Bundesamtes im ersten Halbjahr 2016 auf 52,9 %. Dies, obwohl – wie dem
Bundesinnenministerium sehr wohl bekannt war – zur gleichen Zeit die
höchste Zahl ziviler Opfer seit 2009
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gemeldet worden war.
Immer wieder wurde von der Bundesregierung behauptet, es gebe
anderweitig inländischen Schutz in Großstädten. Ein aktueller Bericht
des UNHCR
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aus Dezember 2019 kommt zum Ergebnis, dass die afghanische Hauptstadt
nicht als sicher betrachtet werden kann: Aufgrund der Sicherheits- und
Menschenrechtslage sowie der dramatischen humanitären Situation stelle
Kabul laut UNHCR keine sogenannte »inländische Fluchtalternative« dar.
Genau darauf verweist das BAMF aber immer wieder in seinen
Ablehnungsbescheiden, und genau dort landen die Charterflüge.
Seither wurden regelmäßig Sammelabschiebungen in das seit Jahrzehnten
von Krieg und Bürgerkrieg gezeichnete Land vorgenommen. Insgesamt sind
seit Dezember 2016 bis einschließlich März dieses Jahres 907 Afghanen
mittels Sammelabschiebeflügen nach Afghanistan abgeschoben worden. Die
Schutzquote für die Anerkennung afghanischer Schutzsuchender sank seit
2016 parallel dazu kontinuierlich weiter und liegt derzeit (1. Halbjahr
2020) bei nur noch 40,6 %. Erst kürzlich wurde bekannt, wie viele
rechtswidrige Ablehnungen Afghan*innen in Asylverfahren erhalten. Auf
eine parlamentarische Anfrage der Linken teilte die Bundesregierung mit
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dass Verwaltungsgerichte in den ersten neun Monaten dieses Jahres 5.644
ablehnende Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
aufgehoben haben und den Betroffenen Schutz gewährt haben. 59 % der
BAMF-Bescheide erwiesen sich damit als rechtswidrig
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weitere Informationen:
Kai Weber, Tel. 0511-8487 9972
--
Kai Weber
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Röpkestr. 12
30173 Hannover
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