[juF-nds] Was tun bei Ablehnung des Folgeantrags von syrischen Kriegsdienstverweigerern als „unbeachtlich“?

Dörthe Hinz - Flüchtlingsrat Nds. dh at nds-fluerat.org
Di Mär 30 11:56:25 CEST 2021


30. März 2021
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syrischen Kriegsdienstverweigerern als 
„unbeachtlich“?&body=https://www.nds-fluerat.org/48616/aktuelles/was-tun-bei-ablehnung-des-folgeantrags-von-kriegsdienstverweigerern-als-unbeachtlich/> 


Leider ist das BAMF bislang nicht bereit, gestützt auf die Entscheidung 
des EUGH vom 19.11.2020 
<https://www.nds-fluerat.org/47992/aktuelles/hinweise-zu-folgeantraegen-von-syrischen-kriegsdienstverweigerern/> 
syrischen Kriegsdienstverweigerern den Flüchtlingsstatus zuzubilligen: 
Bei Tausenden von Betroffenen, die dem Rat von Flüchtlingsorganisationen 
folgend einen Asylfolgeantrag gestellt haben, gehen derzeit lapidare 
Bescheide ein: Der Antrag sei „unzulässig“.

Das BAMF hat bereits in seinem Entscheiderbrief 12/2020 
<https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Entscheiderbrief/2020/entscheiderbrief-12-2020.pdf;jsessionid=FC5FE504F4ADA1B730BFCCFE07902AF9.internet562?__blob=publicationFile&v=5> 
(S. 4 f.) angekündigt, dass alle Asylfolgeanträge mit der Begründung, 
die EuGH-Entscheidung sei keine Änderung der Rechtslage i.S.v. § 51 Abs. 
1 Nr. VwVfG, als unzulässig abgelehnt werden. Die vorherrschende Meinung 
in Rechtsprechung und juristischer Literatut ging bislang (anders als 
RAin Kerstin Müller in: NK-AuslR, § 71 AsylG, Rn. 30) tatsächlich davon 
aus, dass die EuGH-Rechtsprechung keine Änderung der Rechtslage ist. In 
jüngster Zeit ist durch ein Urteil des EuGH aber Bewegung in diese 
Diskussion gekommen. Peter von Auer (PRO ASYL) hatte dies in dem 
Musterfolgeantrag 
<https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Entwurf-Asylfolgeantrag-RA_in.docx>wie 
folgt dargestellt:

/„Diese Ansicht wird durch das Urteil des EuGH vom 14.05.2020 zu der 
Transitzone Röszke in Ungarn (C-924/19 PPU und C-925/19 PPU) bestätigt. /

/In dieser Entscheidung hat der EuGH festgestellt, dass der von Ungarn 
aufgestellte Unzulässigkeitsgrund der Einreise über einen „sicheren 
Transitstaat“ gemeinschaftsrechtswidrig ist. Der EuGH hält zwar fest, 
dass die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht dazu führt, dass die 
Asylbehörde darauf basierende Unzulässigkeitsentscheidungen von Amts 
wegen zu prüfen hätte. Im Anschluss hieran betont der EuGH indessen, 
dass die Feststellung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit geeignet ist, 
darauf gestützte Asylfolgeanträge zu legitimieren. /

/In Rn. 192 der Entscheidung führt der EuGH aus, dass das Vorliegen 
einer rechtskräftigen Entscheidung, mit der die Ablehnung eines Antrags 
auf internationalen Schutz aus einem unionsrechtswidrigen Grund 
bestätigt wurde, den Betroffenen nicht daran hindert, einen Folgeantrag 
im Sinne von Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32 zu stellen. /

/In Rn. 194 betont der EuGH: / /„Die Existenz eines Urteils des 
Gerichtshofes, mit dem die Unvereinbarkeit einer nationalen Regelung mit 
dem Unionsrecht festgestellt wird […] stellt […] im Sinne von Art. 33 
Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 eine neue Erkenntnis im Hinblick 
auf die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz dar, so dass 
der Folgeantrag nicht auf der Grundlage dieser Bestimmung abgelehnt 
werden kann“. /

/In Rn. 198 heißt es schließlich: / /„Folglich ist Art. 33 Abs. 2 
Buchst. d der Richtlinie 2013/32 dahin auszulegen, dass er auf einen 
Folgeantrag im Sinne von Art. 2 Buchst. q dieser Richtlinie nicht 
anwendbar ist, wenn die Asylbehörde im Sinne von Art. 2 Buchst. f dieser 
Richtlinie feststellt, dass die bestandskräftige Ablehnung des früheren 
Antrags unionsrechtswidrig ist. Dies gilt zwingend, wenn sich die 
Unionsrechtswidrigkeit der Ablehnung des ersten Asylantrags wie hier aus 
einem Urteil des Gerichtshofs ergibt[…]“./

/Der EuGH gibt damit vor, dass in Fällen, in welchen ein Folgeantrag auf 
eine Entscheidung des Gerichtshofs gestützt wird, aus welcher sich die 
Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Ablehnung des ersten Asylantrags 
ergibt, dieser Folgeantrag nicht nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der 
Asylverfahrensrichtlinie als unzulässig abgelehnt werden darf, sondern 
vielmehr jene Entscheidung, auf die der Folgeantrag gestützt wird, als 
neues Element oder als neue Erkenntnis i.S.d. Art. 40 Abs. 2 dieser 
Richtlinie anzuerkennen ist. Damit besteht aber nach Art. 40 Abs. 3 der 
Asylverfahrensrichtlinie die Pflicht, den Asylfolgeantrag inhaltlich zu 
prüfen (ebenso: Hruschka, Constantin: Am Schutz orientiert: Der EuGH zum 
Schutz bei Verweigerung des Militärdienstes in Syrien, 
verfassungsblog.de vom 20.11.2020; derselbe zitiert in: EuGH zum 
Schutzstatus von Syren: Vorm Wehrdienst kann man flüchten, 
LegalTribuneOnline vom 19.11.2020). / /Nach nationalem Recht lässt sich 
dies nur durch gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 
1 VwVfG umsetzen, indem die Rechtsprechung des EuGH als Änderung der 
Rechtslage i.S.d. Norm anerkannt wird. / /Der Gegenauffassung, wonach 
(Änderung der) Rechtsprechung – auch des EuGH – mit Ausnahme von 
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts mit Bindungswirkung nach § 
31 BVerfGG keine Änderung der Rechtslage darstelle (Bergmann in: 
Bergmann/Dienelt, AuslR, § 71 AsylG, Rn. 25) kann nach dem Vorstehenden 
nicht mehr gefolgt werden“./

Diese hier ausgebreitete Argumentation sollte auch vor den Gerichten 
weiterverfolgt werden. Die Frage bleibt natürlich, ob sich das 
durchsetzt. Der VGH Baden-Württemberg hat bereits in einem obiter dictum 
in seinem Urteil vom 22.12.2020 <https://www.asyl.net/rsdb/m29155/> 
entschieden, dass er bei der bislang herrschenden Meinung bleibt. Es 
wäre jedoch noch zu früh, daraus abzuleiten, dass die eingelegten 
Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg böten. Insofern ist anzuraten, 
gestützt auf die hier ausgebreitete Argumentation gegen die Ablehnung 
von Folgeanträgen als „unzulässig“ zu klagen. Wer die Gründe schon in 
seinem Folgeantrag ausgebreitet hat, kann sich zur Begründung schlicht 
auf sein bisheriges Vorbringen stützen.

-- 
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Kai Weber
Geschäftsführer
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