[juF-nds] VG Oldenburg zu Afghanistan: Abschiebungsschutz für "leistungsfähigen, erwachsenen Mann"
Dörthe Hinz Flüchtlingsrat Nds.
dh at nds-fluerat.org
Mo Mai 31 08:07:21 CEST 2021
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Das VG Oldenburg hat in einem von Rechtsanwalt Klemens Tönges
erstrittenen, noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 25. Mai 2021 eine
bemerkenswerte und erfreuliche, weil sich mit der Realität in
Afghanistan auseinandersetzende, Entscheidung getroffen: Das Gericht hat
einem jungen Afghanen zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse gem. §
60 Abs. 5 AufenthG zuerkannt.
Es schließt sich damit dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom
17.12.2020 <https://www.asyl.net/rsdb/m29309/> bzgl. der Einschätzung
der Lage in Afghanistan an, "wonach derzeit angesichts der gravierenden
Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan
infolge der COVID-19-Pandemie *auch im Falle eines leistungsfähigen,
erwachsenen Mannes* ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem
westlichen Ausland die hohen Anforderungen eines *Abschiebungsverbots
nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK regelmäßig erfüllt* sind,
wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen."
Das VG trifft seine Entscheidung auch unter Berücksichtigung eines
Urteils des OVG Lüneburg vom 29.01.2019
<https://www.asyl.net/rsdb/m27153/>. Das OVG hatte damals noch befunden,
dass es keine allgemeine Gefährdung im Sinne des § 60 Abs. 5 gebe. Das
VG Oldenburg erkennt – wie schon das VG Hannover in einem Urteil vom
09.07.2020
<https://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod?showdoccase=1&doc.id=MWRE200002998>-
an, dass sich seitdem die wirtschaftliche Situation in Afghanistan v.a.
auf Grund der Corona-Pandemie erheblich verschlechtert hat. Ohne ein
familiäres oder anderweitig soziales Netzwerk wäre daher auch ein
"leistungsfähiger, erwachsener Mann" im Sinne des Art. 3 der EMRK
gefährdet und würde auch nicht durch inländische Flucht/Migration dieser
Gefährdung entkommen können. Das OVG-Urteil von vor über zwei Jahren
kann also nicht mehr der Maßstab für die Bewertung der gegenwärtigen
Gefährdungssituation in Afghanistan sein.
Die jüngere Rechtsprechung zu Afghanistan macht deutlich, dass endlich
auch auf politischer Ebene die sich kontinuierlich verschlechternden
Zustände in Afghanistan zur Kenntnis genommen werden müssen. Es muss ein
genereller Abschiebungsstopp für Afghanistan beschlossen werden, wie
dies etliche Organisationen fordern
<https://afghanistan.not-safe.de/index.php/aktionstag/>. Und die
skandalöse Ablehnungspraxis des BAMF, die in fast 60% der Klageverfahren
durch die Gerichte korrigiert
<https://www.nds-fluerat.org/47388/aktuelles/gerichte-korrigieren-restriktive-bamf-entscheidungen-zu-afghanistan/>
werden muss, muss endlich beendet werden.
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
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