[juF-nds] Bündnis fordert Schulbesuch für geflüchtete Kinder nach spätestens drei Monaten

Dörthe Hinz - Flüchtlingsrat Nds. dh at nds-fluerat.org
Do Feb 28 09:35:59 CET 2019



  Bündnis fordert Schulbesuch für geflüchtete Kinder nach spätestens
  drei Monaten
  <https://www.nds-fluerat.org/36901/aktuelles/buendnis-fordert-schulbesuch-fuer-gefluechtete-kinder-nach-spaetestens-drei-monaten/>


      Presseinformation, 27. Februar 2019
      <https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2019/02/2019-27-02_Bündnis_PM_Nicht-Beschulung-Erstaufnahmeeinrichtungen.pdf>

*Bündnis fordert Schulbesuch für geflüchtete Kinder nach spätestens drei 
Monaten*

*Hannover, 27. Februar 2019: Niedersächsische Organisationen setzen sich 
für die Beschulung aller geflüchteten Kinder auch in 
Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende nach längstens einem 
Vierteljahr ein. Das Projektnetzwerk AMBA, der Flüchtlingsrat 
Niedersachsen e.V. und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) 
haben ihre Forderungen unter die Überschrift „Es gibt keine Alternative 
zum Schulbesuch – auch nicht in Landeseinrichtungen“ gestellt.*

In der gemeinsamen Erklärung betonen die Organisationen das Recht 
sämtlicher Kinder, eine Schule zu besuchen. Das Bündnis verlangt von der 
Landesregierung, einen Schulbesuch für alle geflüchteten Kinder und 
Jugendlichen nach spätestens drei Monaten zu gewährleisten.

*Im Einzelnen lauten die Forderungen:*

  * Asylsuchende werden in Niedersachsen zügig aus den
    Erstaufnahmeeinrichtungen in die Kommunen verteilt.
  * Nach Jahren der Diskussion und des Stillstands muss endlich ein
    geeignetes Bildungskonzept für Kinder und Jugendliche in den
    Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Niedersachsen gefunden und
    umgesetzt werden. Die zuständigen Ministerien für Kultus und Inneres
    und Sport sind gefordert, hier zügig gemeinsam und abgestimmt zu
    handeln und den wechselseitigen Verweis auf Zuständigkeiten aufzugeben.
  * Spätestens nach drei Monaten muss für alle geflüchteten Kinder und
    Jugendliche der Besuch eines regulären Schulunterrichts
    gewährleistet sein.
  * Es ist dafür ausreichendes Lehrpersonal vorzuhalten, das den
    Standards des Regelschulunterrichts entspricht und so das
    Bildungsinteresse ALLER Kinder und Jugendlichen erfüllt.
  * Die Interkulturelle Lernwerkstatt muss über ausreichende Ressourcen
    verfügen, um für alle Kinder einen vorgeschalteten Sprachunterricht
    zu gewährleisten.
  * Es bedarf dringend einer Evaluation der Interkulturellen
    Lernwerkstatt hinsichtlich der qualitativen und quantitativen
    Umsetzung. Wichtig ist zu ermitteln, ob die Interkulturelle
    Lernwerkstatt tatsächlichen allen Kindern und Jugendlichen an den
    Standorten der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) zur
    Verfügung steht, ob Lehrpersonal und Unterrichtskapazitäten in
    ausreichendem Maße eingesetzt werden und welche Lernerfolge erzielt
    werden.


      Kontakt:

Projektnetzwerk AMBA / Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Laura Müller, Tel. 0511 98 24 60 35, lm at nds-fluerat.org

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Niedersachsen
Christian Hoffmann, 0511-33804-26 oder 0171-5639733, c.hoffmann at gew-nds.de

*Langfassung der gemeinsamen Erklärung / Hintergründe*

*Es gibt keine Alternative zum Schulbesuch – auch nicht in 
Landeseinrichtungen!*
*Projektnetzwerk AMBA, der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. und die 
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordern Beschulung für 
ALLE Kinder*

Alle Kinder haben das Recht, eine Schule zu besuchen. Die 
unterzeichnenden Organisationen und Verbände fordern die Landesregierung 
auf, einen Schulbesuch für alle geflüchteten Kinder und Jugendlichen 
nach spätestens drei Monaten zu gewährleisten.

Das Recht auf Schulbesuch wird in Niedersachsen nach wie vor missachtet: 
In den niedersächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende 
(Landesaufnahmebehörde Niedersachsen – LAB NI) erhalten geflüchtete 
Kinder und Jugendliche über Zeiträume von derzeit bis zu 22 Monaten 
keinen Schulunterricht. Die niedersächsische Landesregierung hat per 
Erlass die Schulpflicht in Erstaufnahmeeinrichtungen ausgesetzt, so dass 
diese und damit auch das Recht zum Schulbesuch erst mit der Ankunft in 
einer Kommune greifen. Die Landesregierung erklärt zwar, dass sie die 
Schulpflicht für alle Kinder und Jugendlichen für wichtig hält, und dass 
diese unabhängig von der Staatsangehörigkeit zu erfüllen sei. „Bei 
geflüchteten Kindern und Jugendlichen in der Landesaufnahmebehörde aber 
hält sie einen Verzicht auf die Schulpflicht nach wie vor für 
vertretbar. Dies stellt eine Gefährdung des Kindeswohls dar“, so Laura 
Müller vom Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V..

In den vergangenen Jahren haben AMBA und der Flüchtlingsrat zahlreiche 
Gespräche mit der Landesregierung sowohl auf ministerieller als auch auf 
Arbeitsebene zu dieser Problematik geführt. Verschiedene Stellungnahmen 
wurden veröffentlicht, landesweit berichteten Medien – und dennoch 
scheint in der Landesregierung kein Bewusstsein dafür gewachsen zu sein, 
dass Kinderrechte und damit ein Recht auf Bildung und Schulbesuch 
universell gelten und nicht durch Spezialregelungen ausgehebelt werden 
dürfen. „Es braucht dringend eine schnelle Lösung und ein durchdachtes 
Vorgehen, damit geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen 
nicht die Zukunft verbaut wird“, merkt Müller weiter an.

An den Standorten der LAB NI gibt es (außer im Ankunftszentrum Bad 
Fallingbostel / Oerbke) lediglich das pädagogische Lernangebot der 
„Interkulturelle Lernwerkstatt 2.0“, in der Kinder und Jugendliche im 
schulpflichtigen Alter eine (qualifizierte) Schulvorbereitung erhalten. 
Die Interkulturelle Lernwerkstatt 2.0 beinhaltet vor allem 
Sprachvermittlung und nur wenig Fachunterricht. Es gibt weder regelhaft 
naturwissenschaftlichen noch Fremdsprachen-Unterricht. Die 
Schulvorbereitung stellt insofern keinen Ersatz bzw. keine Alternative 
zu einem Regelschulunterricht dar. Spätestens nach drei Monaten muss 
allen Kindern der Zugang zur Regelschule eröffnet werden.

Auf eine Anfrage von Abgeordneten der FDP-Landtagsfraktion 
<https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2019/01/18-02559.pdf> 
erklärte die Landesregierung Anfang Januar 2019, das Bildungsangebot in 
der Erstaufnahme sei „inhaltlich und organisatorisch wesensgleich und 
niveauentsprechend zu den Angeboten allgemein bildender Schulen“. Mit 
einer solchen Aussage wird in unseren Augen das Recht der Kinder auf 
Bildung verhöhnt. Von den 175 Kindern aus sog. „sicheren 
Herkunftsländern“, die zum Stichtag (04.01.2019) in der 
Landesaufnahmebehörde untergebracht waren, besuchten 27 seit mehr als 
sechs Monaten und 14 seit über einem Jahr keine Schule in Deutschland.

*Forderungen:*

  * Asylsuchende werden in Niedersachsen zügig aus den
    Erstaufnahmeeinrichtungen in die Kommunen verteilt.
  * Nach Jahren der Diskussion und des Stillstands muss endlich ein
    geeignetes Bildungskonzept für Kinder und Jugendliche in den
    Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Niedersachsen gefunden und
    umgesetzt werden. Die zuständigen Ministerien für Kultus und Inneres
    und Sport sind gefordert, hier zügig gemeinsam und abgestimmt zu
    handeln und den wechselseitigen Verweis auf Zuständigkeiten aufzugeben.
  * Spätestens nach drei Monaten muss für alle geflüchteten Kinder und
    Jugendliche der Besuch eines regulären Schulunterrichts
    gewährleistet sein.
  * Es ist dafür ausreichendes Lehrpersonal vorzuhalten, das den
    Standards des Regelschulunterrichts entspricht und so das
    Bildungsinteresse ALLER Kinder und Jugendlichen erfüllt.
  * Die Interkulturelle Lernwerkstatt muss über ausreichende Ressourcen
    verfügen, um für alle Kinder einen vorgeschalteten Sprachunterricht
    zu gewährleisten.
  * Es bedarf dringend einer Evaluation der Interkulturellen
    Lernwerkstatt hinsichtlich der qualitativen und quantitativen
    Umsetzung. Wichtig ist zu ermitteln, ob die Interkulturelle
    Lernwerkstatt tatsächlichen allen Kindern und Jugendlichen an den
    Standorten der LAB NI zur Verfügung steht, ob Lehrpersonal und
    Unterrichtskapazitäten in ausreichendem Maße eingesetzt werden und
    welche Lernerfolge erzielt werden.

*Kontakt:*

Projektnetzwerk AMBA / Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Laura Müller, Tel. 0511 98 24 60 35, lm at nds-fluerat.org

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Niedersachsen
Christian Hoffmann, 0511-33804-26 oder 0171-5639733, c.hoffmann at gew-nds.de


      Weitere Informationen:

*Beschulung in Erstaufnahmeeinrichtungen 
<https://www.nds-fluerat.org/themen/aufnahme/erstaufnahme/beschulung/>*


      Rechtliche Grundlagen:

Das Recht, eine Schule zu besuchen, ist universell und in 
unterschiedlichen internationalen, europäischen und deutschen Regelungen 
verankert:

→ Recht auf Schulbesuch nach 3 Monaten / UN Kinderrechtskonvention, 
EU-Aufnahmerichtlinie

Artikel 28 UN-Kinderrechtskonvention (KRK): Jedes Kind hat das Recht auf 
Schule. Im Artikel 22 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und auch in 
der EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33) ist das Recht auf Bildung 
festgeschrieben.

Nach Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK darf niemandem das Recht 
auf Bildung verwehrt werden; der Anspruch, der in der Konvention 
anerkannten Rechte, ist ohne Diskriminierung wegen der nationalen 
Herkunft zu gewährleisten (Art. 14 EMRK).

Art. 14 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU: Die Wartezeit auf den 
Zugang zum Bildungssystem beträgt maximal drei Monate.

Art. 14 Abs. 1 und 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union: Jede 
Person hat das Recht auf Bildung sowie auf Zugang zur beruflichen 
Ausbildung und Weiterbildung, wobei dieses Recht die Möglichkeit 
umfasst, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen.

Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz (GG): Gleichheitssatz auch für Kinder, die 
über keinen Aufenthaltsstatus, keine Meldebestätigung oder keine 
Geburtsurkunde verfügen oder vorlegen können: Ihnen muss ein 
diskriminierungsfreier Zugang zu Bildungseinrichtungen ermöglicht werden.

Runderlass des MK Niedersachsen vom 01.01.2016: Bei in der 
Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) untergebrachten 
Ausländerinnen und Ausländern beginnt die Schulpflicht nach dem Wegfall 
der Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung im Sinne des §44 Abs.1 
Asylgesetz oder § 15a Abs. 4 Aufenthaltsgesetz zu wohnen.

Die Verpflichtung zum Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen für 
Menschen aus den sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ ist im § 47 
Abs. 1a AsylG festgehalten:

„(1a) 1Abweichend von Absatz 1 sind Ausländer aus einem sicheren 
Herkunftsstaat (§ 29a) verpflichtet, bis zur Entscheidung des 
Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des 
Asylantrags nach § 29a als offensichtlich unbegründet oder nach § 29 
Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug 
der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme 
zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. 2Die §§ 48 bis 50 bleiben 
unberührt.“

Die Beendigung der Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu 
wohnen, ist  in § 48 AsylG geregelt:
Die Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, endet vor 
Ablauf von sechs Monaten, wenn der Ausländer
1. verpflichtet ist, an einem anderen Ort oder in einer anderen 
Unterkunft Wohnung zu nehmen,
2. als Asylberechtigter anerkannt ist oder ihm internationaler Schutz im 
Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wurde oder
3. nach der Antragstellung durch Eheschließung oder Begründung einer 
Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet die Voraussetzungen für einen 
Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 
Aufenthaltsgesetz erfüllt.“

Und der § 49 Abs. 2 AsylG sollte im Zusammenhang mit der (drohenden) 
Kindeswohlgefährdung aufgrund der fehlenden Beschulung zur Verteilung in 
die Kommunen führen:
„(2) Die Verpflichtung kann aus Gründen der öffentlichen 
Gesundheitsvorsorge sowie aus sonstigen Gründen der öffentlichen 
Sicherheit oder Ordnung oder aus anderen zwingenden Gründen beendet werden.“

Presseinformation als pdf 
<https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2019/02/2019-27-02_Bündnis_PM_Nicht-Beschulung-Erstaufnahmeeinrichtungen.pdf>

-- 
Laura Müller

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