[juF-nds] Stade: Über 200 Demonstrant_innen gedenken am Samstag Aman Alizada- sie fordern lückenlose Aufklärung der Tötung
Dörthe Hinz - Flüchtlingsrat Nds.
dh at nds-fluerat.org
Mo Okt 14 17:45:38 CEST 2019
*Stade: Über 200 Demonstrant_innen gedenken am Samstag Aman Alizada- sie
fordern lückenlose Aufklärung der Tötung
<https://www.nds-fluerat.org/40353/aktuelles/stade-ueber-200-demonstrant_innen-gedenken-am-samstag-aman-alizada-sie-fordern-lueckenlose-auflaerung-der-toetung/>
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Gut 200 Menschen haben am vergangenen Sonnabend in Stade im Gedenken an
Aman Alizada, der am 17. August bei einem Polizeieinsatz durch einen
Beamten erschossen worden war, demonstriert. Gemeinsam mit Freund_innen
und Unterstützer_innen haben der Flüchtlingsrat Niedersachsen, der
Flüchtlingsrat Hamburg, die Bürgerinitiative Menschenwürde Landkreis
Stade, die Sozialistische Jugend – Die Falken Niederelbe und SKF
-Sauerkrautfabrik Harburg zur Demonstration aufgerufen. Das erfreulich
breite Bündnis war sich in der Forderung einig, dass es eine lückenlose,
transparente und unvoreingenommene Aufklärung der Umstände benötigt,
unter denen die tödlichen Schüsse abgegeben worden waren.
Selbstverständlich drängen sich eine Menge Fragen auf. Es ist
alarmierend, wenn die Polizei nicht in der Lage ist, solch eine
Konfliktsituation anders zu regeln, als mit dem tödlichen
Schusswaffeneinsatz. Die Polizei, die eigentlich wissen musste, dass der
junge Mann psychisch belastet war, trifft mit sechs Beamten in der
Unterkunft ein. Vier Beamte sind mit ihm allein in der Wohnung, und am
Ende ist der junge Mann tot, von einem Beamten erschossen - nach dem,
was uns bekannt ist, durch mehrere Schüsse in den Oberkörper. Zur
Begründung gibt die Polizei an, dass dies in Notwehr geschehen sei, und
niemand außer die Beamten selber sind unmittelbare Zeugen der Tat.
Kritisiert wurde auch die Tatsache, dass der Beamte, der die tödlichen
Schüsse abgab, nach zwei Monaten wieder im Dienst ist, trotz laufender
Ermittlungen.
Ein weiteres wesentliches Anliegen insbesondere der Menschen, die Aman
kannten, war es, ihm gerecht zu werden, indem ein richtiges Bild von ihm
in der Öffentlichkeit entsteht, so wie seine Freund_innen,
Unterstützer_innen und Betreuerinnen ihn kannten und erlebt hatten. Eine
ehemalige Betreuerin von Aman und Freunde beschrieben ihn in ihren
Redebeiträgen als einen stets hilfsbereiten, respektvollen und
freundlichen jungen Mann, der zielstrebig seine Ziele verfolgte.
Unterstrichen wurde das durch bewegende und eindrückliche Transparente
und zahlreiche Bilder. So stand auf einen Transparent „ Aman war ein
friedlicher und hilfbereiter Mensch“ und auf einzelnen Bilder u.a. „Wir
vermissen dich“, „ Du warst immer für uns da, Kumpel!“.
Aus den Redebeiträgen wurde deutlich, dass es schwerwiegende Defizite in
der Unterstützung gab, sei es durch die mangelhafte Jugendhilfe oder die
unzureichende psychosoziale Versorgung, weshalb letztlich der psychische
Druck, unter dem Aman Alizada stand, nicht aufgefangen wurde, dieser
sich vielmehr noch nach Ablehnung seines Asylantrages durch die Angst
vor einer Abschiebung nach Afghanistan verstärkte. Mit dem Slogan „Aman
war genauso wie wir“ machten andere junge Geflüchtete deutlich, dass sie
sich wie viele der geflüchteten Jugendlichen in einer ähnlichen
Drucksituation befinden. Entsprechend forderten die Demonstrant_innen
vom Landkreis Stade eine deutliche Verbesserung der Jugendhilfe für
junge Geflüchtete, die i.d.R. auch über das 18. Lebensjahr hinaus gehen
muss.
Die Demo-Teilnehmer_innen stellten zudem klar, dass sie die Ermittlungen
zum Todesfall genau beobachten werden, nicht zuletzt, da die Erfahrung
zeigt, dass Ermittlungen gegen Polizist_innen meist ergebnislos
verlaufen und ohne Konsequenzen bleiben. Mit der Demonstration konnte
das Geschehene sichtbar gemacht und des Getöteten in vielfältiger Form
gedacht werden, um gleichzeitig klare Forderungen an Polizei, Behörden
und Politik zu richten.
Aktuelle Presseberichte:
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-migration-deutschland-afghanistan-1.4637269-2
Presseberichte zur Demonstration:
https://taz.de/Durch-Polizeischuesse-getoeteter-Afghane/!5629250/?goMobile2=1570752000000
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1127112.aman-alizada-ermittlungen-zur-toetung-von-amin-alizada-gefordert.html
Ausführlicher Bericht zur Demonstration:
Umgeben von vielen Bildern und Schildern, auf denen Aman zu sehen ist,
beginnt Janine Wagener vom Flüchtlingsrat Hamburg die Auftaktkundgebung
mit einem kurzen Rückblick auf den Verlauf der Tötung des jungen Aman
anzumoderieren und verdeutlicht die Hauptanliegen der Demonstration:
Gedenken und die Forderung nach Aufklärung.
Dorothea Hoffman, ehemalige Betreuerin von Aman, leitete die
Auftaktkundgebung mit einem persönlichen Beitrag ein:
„/Als ich vom 17. August erfuhr, von dieser erschreckenden Tragödie, in
der der junge Mensch gewaltsam ums Leben kam, war ich verwirrt. Ich war
schockiert, traurig, wütend und fühlte mich hilflos. In den ersten
Wochen redete ich viel mit ehemaligen Kollegen, Jugendlichen und schon
jungen Erwachsenen. Wir versuchten, füreinander da zu sein und uns
gegenseitig zu unterstützen/.“ Sie berichtete zudem eindrücklich von den
ersten Jahren, in denen Aman mit vielen weiteren unbegleiteten
minderjährigen Geflüchteten in Stade ankam und über zwei Jahre unter
schwierigen Bedingungen in einer Turnhalle leben musste, sich dabei
jedoch durchweg stark und diszipliniert den hohen Herausforderungen
immer wieder stellte.
Es folgte eine Schweigeminute in Gedenken an den jungen Verstorbenen.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen bekräftigte seine Forderungen nach
transparenter und lückenloser Aufklärung. Es wurden aber auch die
Versorgungsdefizite in Stade, die sich im Rahmen von Gesprächen, die der
Flüchtlingsrat vor Ort führte, identifizieren ließen, klar aufgezeigt.
Untzer anderem kritisierte der Flüchtlingsrat die Beendigung der
Jugendhilfe mit 18 Jahren oder kurz danach: "/Die jungen Menschen werden
massiv gefährdet und ihre ihnen zustehenden Rechte verwehrt. Das muss
sofort ein Ende haben. //Die bestenfalls durch die Jugendhilfe erreichte
Stabilisierung wird durch solche Handlungen massiv gefährde/t" so Dörthe
Hinz vom Flüchtlingsrat. „/Aus dem Grund richten wir heute auch eine
klare Forderung an Politik und Behörden in Stade. Handelt, schaut nicht
weg, sondern wendet euch den jungen Menschen zu und übernehmt
Verantwortung/. /Ordnungspolitische und finanzielle Interessen dürfen
niemals Vorrang vor den Rechten und Schutz von Minderjährigen und jungen
Erwachsenen haben. Sie dürfen nicht zum Spielball kurzfristiger
politischer Machtinteressen gemacht werden/. "
M., ein Freund von Aman, erklärte, dass er Aman 2015 in der Unterkunft
kennengelernt hatte, und beschrieb ihn als „/sehr sozial, freundlich und
ordentlich/“, der ihm /„enger als ein eigener Brude/r“ war und der ihm
sehr fehle. Nachdem Aman schwierige Situationen wie Anschläge und
Diskriminierungen in Pakistan und die Gefahren der Flucht überlebt
hatte, sei er nun in Deutschland, wo er sich in Sicherheit wähnte,
gewaltsam gestorben. Auch er forderte die Aufklärung der Umstände seines
Todes.
In dem Redebeitrag der Falken Niederelbe wurde der Blick auf
Polizeigewalt in Deutschland gerichtet: „/Diesen Apparat kritisch zu
hinterfragen und genau hinzuschauen, wenn Zwang ausgeübt wird, wenn
Menschen getötet werden, hat nichts mit Vorverurteilung zu tun, sondern
zeigt nur, dass Menschen ihren Auftrag als mündige Subjekte der
Gesellschaft wahrnehmen/“. Der Redner erklärte: „V/on über 2000
gewalttätigen Übergriffen durch Polizist_innen, die angezeigt werden,
landen gerade einmal 2 Prozent vor Gericht. Nicht einmal einer von
hundert wird verurteilt. Das Dunkelfeld ist etwa 5 mal höher/“. Er
kritisierte weiterhin, dass es in Deutschland keine unabhänhgige
Beschwerdestelle sowie keine externe Ermittlungsbehörde für Angehörge
der Polzei gäbe./„Eine unabhängige Behörde, wie sie in den meisten
demokratischen Ländern zu finden ist, wäre zumindestens ein Anfang, um
es mit den Privilegien der Polizei, der andauernden Straflosigkeit
aufzunehmen."/
A. Jafari, ein politischer Aktivist aus Hildesheim, selber vor vier
Jahren als Minderjähriger aus Afghanistan geflüchtet, sprach sein
Beileid aus und führte die ganze Tragik von Amans Tod vor Augen: „ /Aman
hat wegen Krieg und Rassismus das Land verlassen. Er wollte ein normales
Leben ohne Krieg und Blutvergießen. Stattdessen machen Politiker und das
BAMF Stimmung gegen ihn und 1000 andere Geflüchtetete. Auch deswegen
wurde sein Asylantrag abgelehnt. Aman war eben deshalb mit psychischen
Problemen konfrontiert. Er befürchtete, nach Afghanistan abgeschoben zu
werden/.“ Er schloss ab mit zwei Fragen: „/Wenn an seiner Stelle ein
junger Deutscher am Tatort gestanden hätte, hätten die Polizisten dann
auch geschossen und nicht geholfen?/ /Wenn Aman die gleichen Rechte wie
alle gehabt hätte, wäre er jetzt auch tot/?"
Ein weiterer Freund von Aman berichtete von Momenten mit Aman und auch
der tiefen Trauer, die ihn und viele andere Freunde seitdem begleitet
und belastet.
Barbara Gessenhardter-Ehrhardt sprach für das Bündnis Menschenwürde
Landkreis Stade und stellte vier klare Forderungen auf: „/Wir wollen,
dass die Würde von Aman auch nach diesem schrecklichen Tod gewahrt
bleibt! Wir wollen, dass die tödliche Polizeiaktion vollständig
aufgeklärt wird!/ /Wir wollen, dass unbegleitete minderjährige und
gerade volljährige gewordene Flüchtlinge von Seiten des Jugendamt
angemessen unterstützt werden!/ /Und wir wollen, dass die Abschiebungen
nach Afghanistan, in ein Land im Krieg, endlich aufhören!"./
Auch Felix, der für die Sauerkrautfabrik Harburg sprach, beleuchtete die
Strukturen und Handlungen des Polizeiapparats kritisch. Er kritisierte
das Racial Profiling sowie die Ignoranz vorrangig priviligierter
Menschen gegenüber den erstarkenden rechten Strukturen. „/Um Menschen zu
schützen, die von Politiker_innen diffamiert, von Gesetzen entrechtet
werden und zu guter Letzt von der Exekutive, also der Polizei, direkt
angegangen werden, bedarf es mehr als nur einer Demonstration/./Es
bedarf einer Gesellschaft, die sich über Umstände im klaren ist. Im
Gedenken an alle, die durch Polizei, also der staatlichen Gewalt, zu
Tode gekommen sind, werden wir weiter Aufklärung und Gerechtigkeit
einfordern, wo sie mit Füßen getreten wird/“, schloss der Redner seinen
Beitrag ab.
Zoe, eine junge Aktivistin, machte deutlich : „/Ich kann mir nicht mal
im Traum vorstellen, was diese Jugendlichen in meinem Alter oder jünger
schon überleben und ertragen mussten. Nie könnte ich den Verlust meiner
Freunde oder sogar meiner kleinen Geschwister überstehen und das alles
in einem fremden Land, mit fremder Sprache und komplett anderer Kultur.
Das Einzige was uns von diesen Jugendlichen unterscheidet, sind die
Geburtsorte und sehr viel Pech. Aber das, was zählen sollte, ist, dass
wir alle Menschen sind und alle ein Recht auf ein lebenswertes Leben
haben. In einem sicheren und sozialen Umfeld/.“
Zum Abschluss der Demonstration wurden in Gedenken viele Kerzen
angezündet vor den Bildern von Aman.
Redebeiträge im Original sowie weitere Bilder können unserer Homepage
<https://www.nds-fluerat.org/40353/aktuelles/stade-ueber-200-demonstrant_innen-gedenken-am-samstag-aman-alizada-sie-fordern-lueckenlose-auflaerung-der-toetung/>entnommen
werden.
Solidarische Grüße,
Dörthe Hinz
--
Dörthe Hinz
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BUMF e.V.-Landeskoordinatorin Niedersachsen
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