[juF-nds] 18 Monate Gnadenkontingent beim Familiennachzug: Nicht einmal der Minimalkonsens wird erfüllt
Dörthe Hinz - Flüchtlingsrat Nds.
dh at nds-fluerat.org
Mo Mär 2 09:10:16 CET 2020
* 18 Monate Gnadenkontingent beim Familiennachzug: Nicht einmal der
Minimalkonsens wird erfüllt*
https://www.nds-fluerat.org/42015/aktuelles/18-monate-gnadenkontingent-beim-familiennachzug-nicht-einmal-der-minimalkonsens-wird-erfuellt/
Die Visaerteilungen für Familienangehörige von subsidiär
Schutzberechtigten schleppen sich über Jahre hin. Nach 18 Monaten
Gnadenkontingent ist klar: Die Bundesregierung kommt nicht einmal dem
veranschlagten Minimalkonsens nach. Tausende geflüchtete Familien leben
seit Jahren getrennt und warten weiter auf ein Visum.
Eineinhalb Jahre nach der de facto Abschaffung des Rechtsanspruchs und
der Einführung eines Gnadenrechts bei der Familienzusammenführung zu
subsidiär Schutzberechtigten (sog. »Familiennachzugsneuregelungsgesetz«
<https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*%5b@attr_id=%27bgbl118s1147.pdf%27%5d#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl118s1147.pdf%27%5D__1582888028368>)
wird deutlich: Die Bundesregierung hält nicht einmal den politisch
getroffenen Minimalkonsens ein. Die Große Koalition hatte sich nach
einem langen Streit in einem Kompromiss auf ein monatliches
Gnadenkontingent
<https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-05/fluechtlinge-grosse-koalition-einigung-familienzusammenfuehrung-nachzug>
nach Ermessen von 1.000 Visa für Angehörige dieser Personengruppe geeinigt.
*Ein Fünftel des Kontingents nicht erfüllt*
18 Monate nach Inkrafttreten der Regelung zeigt sich: Genau 20 Prozent,
also ein Fünftel des versprochenen Visakontingents wurden bisher nicht
ausgeschöpft.
Nach 18 Monaten haben die deutschen Auslandsvertretungen von den
politisch versprochenen 18.000 möglichen Visa bis Ende Januar 2020 erst
14.404 Visa erteilt (2018: 2.612
<https://www.migazin.de/2019/01/10/familiennachzug-nicht-millionen-sondern-nur-25-000/>,
2019: 11.133 laut Plenarprotokoll 15. Januar 2020
<https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2020-01-15-Plenarprotokoll-19_139_Familiennachzug-subsidiär-Geschützte-2019_Jelpke.pdf>,
Januar 2020: 659 laut Auskunft des Auswärtigen Amtes).
*Schutzbedürftige bleiben außen vor *
Im gleichen Zeitraum wurden aber selbst besonders schutzbedürftige
Gruppen auf hartherzige Art und Weise vom Visumverfahren ausgeschlossen:
→ minderjährige Geschwister von unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlingen, denen die gemeinsame Einreise mit ihren Eltern nach
Deutschland verwehrt wird.
→ Kinder, die während der 2,5 jährigen vollständigen Aussetzung der
Familienzusammenführung zu subsidiär Schutzberechtigten vom Frühjahr
2016 bis Sommer 2018 die Volljährigkeit erreicht haben.
*Leid der Familien setzt sich fort*
Das durch die langen Familientrennungen erzeugte Leid der bisher
ausgeschlossenen Familien ist unermesslich. Die Bundesregierung versucht
den Eindruck zu vermitteln, sie habe die Probleme beim Familiennachzug
gelöst. Das ist aber falsch: Es gibt in Deutschland Familien, die seit
Jahren darauf warten, wieder zusammenleben zu können. Diese Situation
ist für die Betroffenen unerträglich.
*Visa-Zahlen gehen nach unten*
Schon seit Sommer 2019 kann auf Basis der Zahlen des Auswärtigen Amtes
festgestellt werden, dass die monatlich erteilten Visa signifikant unter
den versprochenen 1.000 liegen. Zuletzt hat das Auswärtige Amt im Januar
2020 sogar nur 659 Visa erteilt .
*Bürokratie und Bremsklötze*
Das bewusst als bürokratischer Dschungel gestaltete Verfahren wird
weiterhin nicht entschlackt. Beteiligt sind Auslandsvertretungen,
teilweise unterstützt durch die Internationale Organisation für
Migration (IOM), kommunale Ausländerbehörden und Bundesverwaltungsamt.
Die jüngsten Zahlen des Auswärtigen Amtes zeigen, dass der Bremsklotz
bei der Antragsbearbeitung derzeit deutlich bei den beteiligten
kommunalen Ausländerbehörden in den Bundesländern liegt. Während in den
ersten achtzehn Monaten der Neuregelung bereits 20.645 Visaanträge von
den deutschen Auslandsvertretungen an die kommunalen Ausländerbehörden
weitergeleitet wurden, bearbeiteten diese im gleichen Zeitraum nur
14.708 Anträge und leiteten diese zum Bundesverwaltungsamt zur
abschließenden Prüfung weiter.
*Tausende Familien weiter getrennt*
Weiterhin warten allerdings 22.000 Familienangehörige auf einen Termin.
Den deutschen Auslandsvertretungen liegen nach Angaben des Auswärtigen
Amtes so viele unbearbeitete Terminanfragen vor (vgl. Antwort der
Bundesregierung auf Anfrage, Sitzung des Deutschen Bundestages, 15.
Januar 2020
<https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2020/02/Plenarprotokoll-19_139_FNZ-subs-Schutz-2019_Jelpke.pdf>)
*Mehr Personal – und Recht auf Familie wiederherstellen*
Es wäre dringend erforderlich, dass die Bundesregierung gemeinsam mit
den Innenministerien der Bundesländer ernsthaft auf eine Beschleunigung
der Verfahren hinwirkt. Gleichzeitig muss die Bundesregierung das
Auswärtige Amt so ausstatten, dass mindestens doppelt so viele
Antragsverfahren monatlich aufgenommen werden können als bisher.
Letztendlich hilft aber nur die vollständige Wiederherstellung des
Rechts auf Familienleben auch für subsidiär Geschützte.
Wir erinnern uns: Die Abschaffung des Rechtsanspruchs basierte auch auf
weit verbreiteten abwegigen Prognosen der Bundesregierung
<https://www.sueddeutsche.de/politik/seehofer-familiennachzug-1.4239128>
über die Zahl der nachziehenden Angehörigen, die sich allerdings
faktisch als deutlich geringer herausstellte.
/Karim Alwasiti/akr/
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