[juF-nds] Unbegleiteter minderjähriger Flüchtling seit 13 Tagen rechtswidrig in Abschiebungshaft
Dörthe Hinz - Flüchtlingsrat Nds.
dh at nds-fluerat.org
Di Mär 3 13:47:11 CET 2020
Unbegleiteter minderjähriger Flüchtling seit 13 Tagen rechtswidrig in
Abschiebungshaft
*https://www.nds-fluerat.org/42056/aktuelles/unbegleiteter-minderjaehriger-fluechtling-seit-13-tagen-rechtswidrig-in-abschiebungshaft/*
*Flüchtlingsrat fordert: Land Niedersachsen muss umgehend für eine
sofortige Entlassung sorgen*
Mit scharfer Kritik und einem öffentlichen Appell an die Landesregierung
reagiert der Flüchtlingsrat Niedersachsen auf die Inhaftierung eines
unbegleiteten, vermutlich minderjährigen Flüchtlings. Der Jugendliche
reiste am 19.02.2020 aus den Niederlanden ein, wobei er festgenommen und
umgehend in der Abschiebungshaftanstalt im niedersächsischen Langenhagen
inhaftiert wurde – ohne Einschaltung des Jugendamts. Da das Alter des
jungen Menschen nicht klar war, führte das Jugendamt – allerdings erst
nach erfolgter Inhaftierung – eine Inaugenscheinnahme in der
Abschiebungshaft durch und kam zu dem Ergebnis, dass die
„Minderjährigkeit nicht ausgeschlossen werden kann“. Auch der
Bundesgrenzschutz, der die Inhaftierung veranlasst hat, gab das
Geburtsdatum mit Ende 2003 an und geht damit ebenso von der
Minderjährigkeit des jungen Flüchtlings aus wie die
Justizvollzugsanstalt Langenhagen, die den mutmaßlich 16-Jährigen
wohlweislich nicht zusammen mit den übrigen Gefangenen inhaftiert,
sondern in einem separaten Trakt des Gefängnisses komplett isoliert
unterbringt.
Johanna Lal, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrat Niedersachsen, kommentiert:
/„Sowohl die Inhaftierung an sich als auch die zusätzliche Isolation in
der Haft stellt eine akute Gefährdung des Kindeswohls dar. Der
Jugendliche ist psychisch schwer belastet und weist körperliche
Misshandlungsspuren auf. Seine Verfassung verschlechtert sich zusehends.
Es muss dringend gehandelt werden.“/
Bundespolizei und Niedersächsische Landesregierung stehen in der
Verantwortung: Nach herrschender Rechtslage muss bei Verdacht auf
Minderjährigkeit das Wohl des Kindes im Vordergrund aller staatlichen
Maßnahmen stehen (UNHCR 1997, 5.11 c
<http://www.refworld.org/pdfid/47442c952.pdf>; VGH Bayern 12 CE 14.1833
<https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=VGH%20Bayern&Datum=23.09.2014&Aktenzeichen=12%20CE%2014.1833>,
VGH München 12 C 14.1865
<http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2014-N-56870?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1>).
Die Bundespolizei – spätestens aber der zuständige Richter beim
Amtsgericht – hätte beim Aufgreifen des Jugendlichen aufgrund der
bestehenden Zweifel an der Volljährigkeit die Inhaftierung ablehnen und
das Jugendamt kontaktieren bzw. einen Vormund zur rechtlichen Vertretung
berufen müssen, was nicht erfolgt ist. Die Inhaftierung ist
rechtswidrig, da gemäß § 62, Abs 1 AufenthG ein_e Minderjährige_r nur in
besonderen Ausnahmefällen in Haft genommen werden darf. Hinzu kommt,
dass der niedersächsische Rückführungserlass eine Inhaftierung von
Minderjährigen grundsätzlich verbietet.
In der Nacht vom 26.02. auf den 27.02. eskalierte die Situation in der
JVA: Offensichtlich aus konkreter Sorge vor einem Suizid wurde der junge
Geflüchtete nicht etwa entlassen, sondern in die Strafanstalt für
Erwachsene in der Schulenburger Landstraße verbracht, wo er in einer
Einzelzelle mit Kameraüberwachung untergebracht wurde. Nachdem dort eine
Scheibe zu Bruch ging, wurde er wegen drohender Selbstverletzung
zunächst in eine andere Zelle mit getönten Fenstern verlegt, um ihn von
außen zu beobachten und selbstverletzende Handlungen zu verhindern. Im
Verlauf des 27.02. wurde er dann wieder in die Abschiebungshaftanstalt
verbracht.
Muzaffer Öztürkyilmaz, Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Niedersachsen,
kommentiert:
/„Unserer Auffassung nach zeigt dieser Vorfall , dass weder die JVA
Langenhagen noch die Strafanstalt in der Schulenburger Landstraße ein
angemessener Ort für die Unterbringung des mutmaßlich minderjährigen und
offenbar psychisch stark belasteten Jugendlichen ist.“/
Vergeblich hat der Flüchtlingsrat bereits am 27.02.2020 das
niedersächsische Innenministerium, das nds. Sozialministerium und das
nds. Justizministerium mehrfach aufgefordert, die Inhaftierung zu
beenden. Am Morgen des 2. März erklärte das niedersächsische
Innenministerium sich für unzuständig, „da die Abschiebungshaft von der
zuständigen Bundespolizeiinspektion beantragt worden ist“, und verwies
auf „das für den Vollzug der Haft zuständige Justizministerium“. Von
dort liegt bislang keine Reaktion vor.
Wir fordern die niedersächsische Landesregierung auf, die Inhaftierung
des geflüchteten Jugendlichen umgehend zu beenden und ihn in die Obhut
des Jugendamtes bzw. eines Vormundes zu geben.
Johanna Lal, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats Niedersachsen:
/„Minderjährigenschutz geht vor. Das Land kann sich nicht aus der
Verantwortung stehlen und hat sofort die Freilassung anzuordnen.“/
Für Rückfragen:
Johanna Lal, Tel.: 0511 – 85033490, jl at nds-fluerat.org
Muzaffer Öztürkyilmaz, Tel.: 0511 – 98246038, moy at nds-fluerat.org
--
Kai Weber
Geschäftsführer
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Röpkestr. 12
30173 Hannover
Tel.: 0511/98 24 60 30 Mo-Fr: 10.00 bis 12.30, Di+Do: 14.00 bis 16.00
Fax: 0511/98 24 60 31
Mail:nds at nds-fluerat.org
www.nds-fluerat.org
www.facebook.com/Fluechtlingsrat.Niedersachsen
******************************************************************
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen ist für seine Arbeit auf Spenden angewiesen.
Unterstützen Sie uns:
GLS Gemeinschaftsbank eG:
IBAN: DE28 4306 0967 4030 4607 00 / BIC: GENODEM1GLS
Zweck: Spende
oder werden Sie Fördermitglied im Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Spenden an den Flüchtlingsrat sind steuerlich absetzbar.
Steuer-Nr. 25/206/30501
******************************************************************
Diese E-Mail kann vertrauliche und/oder rechtlich geschützte
Informationen enthalten. Wenn Sie nicht der richtige Adressat sind oder
diese E-Mail irrtümlich erhalten haben, informieren Sie bitte sofort
den Absender und vernichten Sie diese E-Mail. Das unerlaubte Kopieren
sowie die unbefugte Weitergabe dieser E-Mail ist nicht gestattet.
This e-mail may contain confidential and/or privileged information. If
you are not the intended recipient or have received this e-mail in
error, please notify the sender immediately and destroy this e-mail.
Any unauthorised copying, disclosure or distribution of the material in
this e-mail is strictly forbidden.
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: <http://www.asyl.org/pipermail/juf-nds/attachments/20200303/e5bc86c5/attachment.html>
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname : umF_Haft.pdf
Dateityp : application/pdf
Dateigröße : 117326 bytes
Beschreibung: nicht verfügbar
URL : <http://www.asyl.org/pipermail/juf-nds/attachments/20200303/e5bc86c5/attachment.pdf>
Mehr Informationen über die Mailingliste juf-nds