[juF-nds] EuGH-Urteil: Hoffnung für syrische Kriegsdienstverweigerer

Dörthe Hinz - Flüchtlingsrat Nds. dh at nds-fluerat.org
Do Nov 19 18:12:38 CET 2020


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Korrekturmeldung: Unsere Einschätzung zur Frage, ob die Entscheidung des 
EUGH auch Auswirkungen auf schon abgeschlossene Verfahren haben könnte, 
hat sich doch noch etwas geändert. PRO ASYL schreibt:

"/Für Kriegsdienstverweigerer, denen in den letzten Jahren in 
Deutschland die Flüchtlingseigenschaft verweigert wurde und deren 
Verfahren schon rechtskräftig abgeschlossen ist, stellt sich nun die 
Frage, ob das Urteil auch bei ihnen einen Unterschied macht. Bislang 
galt eigentlich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 
dass selbst eine Entscheidung des EuGHs keine Änderung der Rechtslage 
ist, die einen Folgeantrag ermöglicht. Doch eine weitere Entscheidung 
des EuGH vom 14. Mai 2020 zu den ungarischen Transitzonen sorgt hier für 
Bewegung. In dem Urteil stellte der EuGH fest, dass eine Entscheidung im 
Erstverfahren, die vom EuGH als unionsrechtswidrig befunden wurde, sehr 
wohl eine neue Erkenntnis ist, die einen Folgeantrag begründen kann – 
allerdings nicht automatisch, ein Antrag der Betroffenen wäre notwendig 
(Rn. 190 ff; so auch Dr. Constantin Hruschka bei LTO).//Dies muss jetzt 
für diese Konstellation genau geprüft werden – PRO ASYL wird an dem 
Thema dran bleiben und informieren./"

Es wäre insofern zu prüfen, ob im Einzelfall ein Folgeantrag doch zum 
Erfolg führen könnte. Wie auch immer der juristische Streit ausfallen 
mag: Politisch fordern sollten wir eine Neubewertung bereits 
abgeschlossener Fälle unbedingt, wie dies in ihrer heutigen 
Presseerklärung auch Ulla Jelpke gemacht hat:

https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/bamf-muss-syrischen-kriegsverweigerern-fluechtlingsschutz-gewaehren/


Am 19.11.20 um 15:00 schrieb Kai Weber:
>
> Die nachfolgende, von RAin Susanne Schröder aus Hannover 
> herbeigeführte Entscheidung des EuGH in einem Vorlageverfahren des VG 
> Hannover zu Fragen der Kriegsdienstverweigerung von Syrern wird in der 
> nachfolgenden Presseerklärung von PRO ASYL treffend kommentiert. Die 
> jahrelange Verweigerung eines Familiennachzugs für die betroffenen 
> syrischen Geflüchteten, denen statt eines Flüchtlingsschutzes nur 
> subsidiärer Schutz zugebilligt wurde, erscheint angesichts der vom 
> EUGH vorgenommenen Neubewertung besonders zynisch. Wer als 
> Kriegsdienstverweigerer noch im Asylverfahren ist, kann nun ggfs. auf 
> eine Flüchtlingsanerkennung hoffen. Leider ergibt sich aus der 
> Entscheidung des EUGH nicht die Konsequenz, dass bereits 
> abgeschlossene Verfahren erneut aufgerollt und den Betroffenen 
> nachträglich ein Flüchtlingsschutz zuerkannt wird.
>
>
>
>
>
> Presseerklärung
>
> 19. November 2020
>
> *Hoffnung für syrische Kriegsdienstverweigerer *
> *EuGH-Entscheidung bestätigt die PRO ASYL-Position: BAMF hat zu 
> Unrecht den Flüchtlingsstatus verweigert
> *
> Der EuGH hat am 19. November in einem Verfahren gegen Deutschland über 
> Fragen zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft für syrische 
> Kriegsdienstverweigerer entschieden 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1780>. 
> Die Entscheidung macht deutlich: Das Bundesamt für Migration und 
> Flüchtlinge hat in den letzten Jahren zahlreichen 
> Kriegsdienstverweigerern aus Syrien den ihnen zustehenden 
> Flüchtlingsstatus zu Unrecht verweigert. PRO ASYL hat das Verfahren 
> aus dem PRO ASYL-Rechtshilfefonds unterstützt.
> Geschäftsführer Günter Burkhardt begrüßte das Urteil als Meilenstein. 
> „Die rechtswidrige Praktik des BAMF syrischen Kriegsdienstverweigerern 
> den vollen Flüchtlingsstatus zu verweigern, muss nun aufhören. Wer vor 
> dem Terrorregime Assads flieht und sich dem Wehrdienst entzieht, hat 
> ein Recht auf Asyl.“ PRO ASYL fordert den Bundestag und die 
> Bundesregierung auf, politische Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen 
> und den zu Unrecht als GFK-Flüchtlingen Abgelehnten den 
> Familiennachzug zu ermöglichen. Der wichtigste Unterschied zwischen 
> dem vollen Flüchtlingsschutz nach der GFK und dem sogenannten 
> subsidiären Schutz ist nämlich das Recht auf Familiennachzug, der in 
> Deutschland seit März 2016 ausgesetzt wurde und zum 1.8.2018 durch ein 
> Gnadenrecht für 1.000 Fälle pro Monat ersetzt wurde.
>
> *Der EUGH hatte nun klar festgestellt:*
> */„In vielen Fällen ist die Verweigerung des Militärdienstes 
> allerdings Ausdruck politischer Überzeugungen – sei es, dass sie in 
> der Ablehnung jeglicher Anwendung militärischer Gewalt oder in der 
> Opposition zur Politik oder den Methoden der Behörden des 
> Herkunftslandes bestehen –, religiöser Überzeugungen oder hat ihren 
> Grund in der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Somit 
> spricht eine starke Vermutung dafür, dass die Verweigerung des 
> Militärdienstes unter den Bedingungen der dem Gerichtshof vorgelegten 
> Rechtssache mit einem der fünf Gründe in Zusammenhang steht, die einen 
> Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen. 
> Nicht der Betroffene muss diese Verknüpfung beweisen, sondern es ist 
> Sache der zuständigen nationalen Behörden, in Anbetracht sämtlicher in 
> Rede stehender Umstände die Plausibilität dieser Verknüpfung zu prüfen.“
> /*
> Wurden bis Ende 2015 Geflüchtete aus Syrien im Rahmen eines 
> schriftlichen Verfahrens noch in 99,7% der Fälle als Flüchtlinge im 
> Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) bzw. als Asylberechtigte 
> nach dem Grundgesetz anerkannt, änderte sich die Anerkennungspraxis 
> danach massiv. Im Jahr 2016 bekamen nur noch 58% der syrischen 
> Antragsteller*innen Schutz nach der GFK bzw. dem Grundgesetz, 42% 
> erhielten subsidiären Schutz. Im Jahr 2017 wurden 38% der syrischen 
> Antragsteller*innen nach der GFK bzw. dem Grundgesetz anerkannt, 
> dagegen erhielt mit 61% die Mehrheit den subsidiären Schutz.
> Damit der Verweigerung des Flüchtlingsschutzes nun auch die 
> Verweigerung bzw. Erschwerung des Familiennachzugs 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1781> 
> einherging, klagten viele syrische Geflüchtete (sogenannte 
> Aufstockungsklagen). Auch der Flüchtling EZ klagte – und zog mit 
> Unterstützung durch den PRO ASYL Rechtshilfefonds, vor den Gerichtshof 
> der Europäischen Union (EuGH).
> **
> *Was bedeutet das Urteil für syrische Flüchtlinge in Deutschland?
> *
> EZ kann nun hoffen, dass das VG Hannover ihm die 
> Flüchtlingseigenschaft zuerkennt und dies auch, wenn das BAMF in 
> Berufung gehen sollte, Bestand haben wird. Auch für andere noch bei 
> Gerichten oder beim BAMF anhängigen Verfahren kann und sollte sich 
> diese Entscheidung positiv auswirken. –Für Kriegsdienstverweigerer, 
> die mit der vom EuGH nun abgelehnten Begründung abgelehnt wurden und 
> deren Verfahren schon rechtskräftig abgeschlossen ist, macht das 
> Urteil leider keinen Unterschied mehr. Nach ständiger Rechtsprechung 
> des Bundesverwaltungsgerichts bewirkt selbst eine Entscheidung des 
> EuGHs keine Änderung der Rechtslage, die als Anlass für einen 
> Folgeantrag 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1782> 
> gilt.
> Dies entbehrt auch angesichts der hunderttausenden Widerrufsverfahren, 
> die vom BAMF aktuell durchgeführt werden, nicht eines gewissen 
> Zynismus: Obwohl sich in den Hauptherkunftsländern die Lage nicht 
> geändert hat, werden für die Widerrufs- und Rücknahmeverfahren die 
> Akten auf Wiedervorlage genommen – bei möglichen Verbesserungen aber 
> nicht. Letztlich zeigt die Entscheidung einmal mehr, dass die 
> Aussetzung des Familiennachzugs von 2016 bis 2018 und die seit 2018 
> bestehende Kontingentlösung für den Familiennachzug für subsidiär 
> Schutzberechtigte das primäre Problem ist, da sie eine 
> ungerechtfertigte Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und subsidiär 
> Schutzberechtigten vornimmt. Die Rechte von Flüchtlingen und subsidiär 
> Schutzberechtigten müssen endlich wieder angeglichen werden.
> Mit seiner Entscheidung im Fall EZ gegen Deutschland hat der 
> Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen des 
> Verwaltungsgerichts Hannovers 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1783> 
> beantwortet, die die deutsche Rechtsprechung schon länger entzweit 
> haben (für eine Übersicht der Rechtsprechung siehe Infoverbund vom 
> 16.04.2020 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1784>).
> Dabei geht es um die essentielle Frage, wann bei syrischen 
> Kriegsdienstverweigerern von einer Flüchtlingseigenschaft ausgegangen 
> werden kann. In Deutschland bekommen Syrer*innen mittlerweile 
> mehrheitlich den subsidiären Schutz und nicht die Flüchtlingseigenschaft.
>
> In Syrien sind Männer im Alter von 18 bis 42 Jahren wehrpflichtig, 
> doch es kommt auch zum Einzug von jüngeren oder älteren Männern. Die 
> Wehrdienstentziehung ist eine Straftat und wird laut UNHCR von der 
> Regierung »wahrscheinlich als politische, regierungsfeindliche 
> Handlung angesehen« was zu schärferen Strafen als den regulär 
> vorgesehenen Sanktionen führen kann. Dies kann Haft sein, in der 
> Folter und andere Misshandlung droht, oder der Einsatz an vorderster 
> Front ohne ausreichende militärische Ausbildung. Mit Beginn des 
> Bürgerkriegs kam es zu massenhafter Zwangsrekrutierung. Deserteuren 
> drohen lange Haftstrafen oder sogar die Todesstrafe – in der Praxis 
> kam es oft zu direkten Erschießungen von gefassten Deserteuren 
> (Quellen: UNHCR 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1785>, 
> Schweizerische Flüchtlingshilfe 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1786>, 
> adopt a revolution 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1787>). 
> Im syrischen Bürgerkrieg werden regelmäßig Kriegsverbrechen begangen, 
> auch gegen Zivilist*innen (Quellen: Amnesty International 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1788>, 
> Human Rights Watch 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1789>). 
> Auch dieses Jahr kommt es weiterhin zu Kampfhandlungen 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1790>. 
>
>
>
>
>
> PRO ASYL steht Ihnen für Rückfragen und weitere Informationen gern zur 
> Verfügung:
>
> 069 / 24 23 14 30 I presse at proasyl.de <mailto:presse at proasyl.de>I 
> www.proasyl.de 
> <https://proasylde.acemlnb.com/lt.php?notrack=1&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&i=143A271A8A1791> 
>
>
> Sent to: fw at proasyl.de
>
> Unsubscribe 
> <https://proasylde.acemlnb.com/proc.php?nl=8&c=143&m=271&s=8b9b73e1fff9a373a1bcc22876b5bda0&act=unsub> 
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