[juF-nds] OVG Berlin-Brandenburg erkennt syrischen Wehrdienstverweigerern Flüchtlingsstatus zu
Dörthe Hinz
dh at nds-fluerat.org
Mi Apr 7 14:38:11 CEST 2021
Liebe Listenmitglieder,
anbei eine aktuelle Ergänzung und Hinweis von*Berlin hilft* zu dem Thema:
_OVG Berlin-Brandenburg erkennt syrischen Wehrdienstverweigerern
Flüchtlingsstatus zu_
*Das OVG Berlin-Brandenburg erkennt nun syrischen Wehrdienstverweigerern
die Flüchtlingseigenschaft zu. Damit berücksichtigt es das Urteil des
EuGH vom November 2020 und ändert auch seine bisherige Rechtsprechung
ab.
<http://berlin-hilft.com/2021/04/06/ovg-berlin-syrer-wehrdienst-fluechtling/?fbclid=IwAR055p74RZevQ4ViWrzq5qMqUzhOV-m0n2roR5wobzdtTb_onkXLMhTk84I>*
Im November 2020 hatte der EuGH ein wegweisendes Urteil zur Zuerkennung
der Flüchtlingseigenschaft für syrische Wehrdienstverweigerer gefällt,
das die Anerkennung als Flüchtling
<http://berlin-hilft.com/Glossary/fluechtling/> in vielen dieser Fälle
erleichtert. Dies ist jedoch in Fällen, bei denen bereits eine
rechtskräftige Asylentscheidung erfolgt ist, nicht mit einem
Automatismus verbunden, sondern bedurfte der Stellung eines
Folgeantrages. Hierzu hatten wir ausführliche Hinweise gegeben, um die
überwiegend geltende Frist zur Folgeantragstellung auch einzuhalten.
Die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte sind bisher sehr
unterschiedlich. Insofern war und bleibt es auch interessant, wie die
jeweiligen Oberverwaltungsgerichte darüber entscheiden. Allerdings gibt
es auch hier ein sehr unterschiedliches Bild.
Kürzlich hat auch das OVG Nordrhein-Westfalen eine weitere negative
Entscheidung
<https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/23_210322/index.php>
getroffen und sich ausdrücklich gegen die Entscheidung des OVG
Berlin-Brandenburg gestellt. Das OVG Niedersachsen wird noch im April
hierzu entscheiden. Letztlich wird es nun darauf ankommen, wie das
Bundesverwaltungsgericht sich dazu stellt. Zu berücksichtigen ist
natürlich noch, dass es immer auf die Umstände des jeweiligen
Einzelfalls ankommt.
Dennoch ist für Berlin die aktuelle Entscheidung nun erst einmal
wegweisend. Das OVG Berlin-Brandenburg sagt in seinem Urteilstenor:
*Weiter geht es hier: *
**http://berlin-hilft.com/2021/04/06/ovg-berlin-syrer-wehrdienst-fluechtling/?fbclid=IwAR055p74RZevQ4ViWrzq5qMqUzhOV-m0n2roR5wobzdtTb_onkXLMhTk84I
<http://berlin-hilft.com/2021/04/06/ovg-berlin-syrer-wehrdienst-fluechtling/?fbclid=IwAR055p74RZevQ4ViWrzq5qMqUzhOV-m0n2roR5wobzdtTb_onkXLMhTk84I>
Viele Grüße,
Dörthe Hinz
Am 30.03.2021 um 11:49 schrieb Kai Weber:
> 30. März 2021
> https://www.nds-fluerat.org/48616/aktuelles/was-tun-bei-ablehnung-des-folgeantrags-von-kriegsdienstverweigerern-als-unbeachtlich/
> <https://www.nds-fluerat.org/48616/aktuelles/was-tun-bei-ablehnung-des-folgeantrags-von-kriegsdienstverweigerern-als-unbeachtlich/#comments>
>
> <https://www.facebook.com/sharer/sharer.php?u=https://www.nds-fluerat.org/48616/aktuelles/was-tun-bei-ablehnung-des-folgeantrags-von-kriegsdienstverweigerern-als-unbeachtlich/>
> <https://twitter.com/intent/tweet/?text=Linktipp:&url=https://www.nds-fluerat.org/48616/aktuelles/was-tun-bei-ablehnung-des-folgeantrags-von-kriegsdienstverweigerern-als-unbeachtlich/&via=Mehraktion>
> <mailto:?subject=Linktipp: Was tun bei Ablehnung des Folgeantrags von
> syrischen Kriegsdienstverweigerern als
> „unbeachtlich“?&body=https://www.nds-fluerat.org/48616/aktuelles/was-tun-bei-ablehnung-des-folgeantrags-von-kriegsdienstverweigerern-als-unbeachtlich/>
>
>
> Leider ist das BAMF bislang nicht bereit, gestützt auf die
> Entscheidung des EUGH vom 19.11.2020
> <https://www.nds-fluerat.org/47992/aktuelles/hinweise-zu-folgeantraegen-von-syrischen-kriegsdienstverweigerern/>
> syrischen Kriegsdienstverweigerern den Flüchtlingsstatus zuzubilligen:
> Bei Tausenden von Betroffenen, die dem Rat von
> Flüchtlingsorganisationen folgend einen Asylfolgeantrag gestellt
> haben, gehen derzeit lapidare Bescheide ein: Der Antrag sei „unzulässig“.
>
> Das BAMF hat bereits in seinem Entscheiderbrief 12/2020
> <https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Entscheiderbrief/2020/entscheiderbrief-12-2020.pdf;jsessionid=FC5FE504F4ADA1B730BFCCFE07902AF9.internet562?__blob=publicationFile&v=5>
> (S. 4 f.) angekündigt, dass alle Asylfolgeanträge mit der Begründung,
> die EuGH-Entscheidung sei keine Änderung der Rechtslage i.S.v. § 51
> Abs. 1 Nr. VwVfG, als unzulässig abgelehnt werden. Die vorherrschende
> Meinung in Rechtsprechung und juristischer Literatut ging bislang
> (anders als RAin Kerstin Müller in: NK-AuslR, § 71 AsylG, Rn. 30)
> tatsächlich davon aus, dass die EuGH-Rechtsprechung keine Änderung der
> Rechtslage ist. In jüngster Zeit ist durch ein Urteil des EuGH aber
> Bewegung in diese Diskussion gekommen. Peter von Auer (PRO ASYL) hatte
> dies in dem Musterfolgeantrag
> <https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Entwurf-Asylfolgeantrag-RA_in.docx>wie
> folgt dargestellt:
>
> /„Diese Ansicht wird durch das Urteil des EuGH vom 14.05.2020 zu der
> Transitzone Röszke in Ungarn (C-924/19 PPU und C-925/19 PPU) bestätigt. /
>
> /In dieser Entscheidung hat der EuGH festgestellt, dass der von Ungarn
> aufgestellte Unzulässigkeitsgrund der Einreise über einen „sicheren
> Transitstaat“ gemeinschaftsrechtswidrig ist. Der EuGH hält zwar fest,
> dass die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht dazu führt, dass die
> Asylbehörde darauf basierende Unzulässigkeitsentscheidungen von Amts
> wegen zu prüfen hätte. Im Anschluss hieran betont der EuGH indessen,
> dass die Feststellung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit geeignet ist,
> darauf gestützte Asylfolgeanträge zu legitimieren. /
>
> /In Rn. 192 der Entscheidung führt der EuGH aus, dass das Vorliegen
> einer rechtskräftigen Entscheidung, mit der die Ablehnung eines
> Antrags auf internationalen Schutz aus einem unionsrechtswidrigen
> Grund bestätigt wurde, den Betroffenen nicht daran hindert, einen
> Folgeantrag im Sinne von Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32 zu
> stellen. /
>
> /In Rn. 194 betont der EuGH: / /„Die Existenz eines Urteils des
> Gerichtshofes, mit dem die Unvereinbarkeit einer nationalen Regelung
> mit dem Unionsrecht festgestellt wird […] stellt […] im Sinne von Art.
> 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 eine neue Erkenntnis im
> Hinblick auf die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz dar,
> so dass der Folgeantrag nicht auf der Grundlage dieser Bestimmung
> abgelehnt werden kann“. /
>
> /In Rn. 198 heißt es schließlich: / /„Folglich ist Art. 33 Abs. 2
> Buchst. d der Richtlinie 2013/32 dahin auszulegen, dass er auf einen
> Folgeantrag im Sinne von Art. 2 Buchst. q dieser Richtlinie nicht
> anwendbar ist, wenn die Asylbehörde im Sinne von Art. 2 Buchst. f
> dieser Richtlinie feststellt, dass die bestandskräftige Ablehnung des
> früheren Antrags unionsrechtswidrig ist. Dies gilt zwingend, wenn sich
> die Unionsrechtswidrigkeit der Ablehnung des ersten Asylantrags wie
> hier aus einem Urteil des Gerichtshofs ergibt[…]“./
>
> /Der EuGH gibt damit vor, dass in Fällen, in welchen ein Folgeantrag
> auf eine Entscheidung des Gerichtshofs gestützt wird, aus welcher sich
> die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Ablehnung des ersten Asylantrags
> ergibt, dieser Folgeantrag nicht nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der
> Asylverfahrensrichtlinie als unzulässig abgelehnt werden darf, sondern
> vielmehr jene Entscheidung, auf die der Folgeantrag gestützt wird, als
> neues Element oder als neue Erkenntnis i.S.d. Art. 40 Abs. 2 dieser
> Richtlinie anzuerkennen ist. Damit besteht aber nach Art. 40 Abs. 3
> der Asylverfahrensrichtlinie die Pflicht, den Asylfolgeantrag
> inhaltlich zu prüfen (ebenso: Hruschka, Constantin: Am Schutz
> orientiert: Der EuGH zum Schutz bei Verweigerung des Militärdienstes
> in Syrien, verfassungsblog.de vom 20.11.2020; derselbe zitiert in:
> EuGH zum Schutzstatus von Syren: Vorm Wehrdienst kann man flüchten,
> LegalTribuneOnline vom 19.11.2020). / /Nach nationalem Recht lässt
> sich dies nur durch gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 51
> Abs. 1 Nr. 1 VwVfG umsetzen, indem die Rechtsprechung des EuGH als
> Änderung der Rechtslage i.S.d. Norm anerkannt wird. / /Der
> Gegenauffassung, wonach (Änderung der) Rechtsprechung – auch des EuGH
> – mit Ausnahme von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts mit
> Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG keine Änderung der Rechtslage
> darstelle (Bergmann in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 71 AsylG, Rn. 25)
> kann nach dem Vorstehenden nicht mehr gefolgt werden“./
>
> Diese hier ausgebreitete Argumentation sollte auch vor den Gerichten
> weiterverfolgt werden. Die Frage bleibt natürlich, ob sich das
> durchsetzt. Der VGH Baden-Württemberg hat bereits in einem obiter
> dictum in seinem Urteil vom 22.12.2020
> <https://www.asyl.net/rsdb/m29155/> entschieden, dass er bei der
> bislang herrschenden Meinung bleibt. Es wäre jedoch noch zu früh,
> daraus abzuleiten, dass die eingelegten Rechtsmittel keine Aussicht
> auf Erfolg böten. Insofern ist anzuraten, gestützt auf die hier
> ausgebreitete Argumentation gegen die Ablehnung von Folgeanträgen als
> „unzulässig“ zu klagen. Wer die Gründe schon in seinem Folgeantrag
> ausgebreitet hat, kann sich zur Begründung schlicht auf sein
> bisheriges Vorbringen stützen.
>
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> Kai Weber
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