[juF-nds] Eskalierende Lage in Afghanistan – neue Studie bestätigt: Rückkehrer gefährdet
Dörthe Hinz Flüchtlingsrat Nds.
dh at nds-fluerat.org
Mo Jun 7 08:50:54 CEST 2021
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Presseerklärung PRO ASYL
4. Juni 2021
Eskalierende Lage in Afghanistan – neue Studie bestätigt: Rückkehrer
gefährdet
*PRO ASYL fordert als Reaktion einen sofortigenAbschiebestopp und eine
neue Bewertung der Lage durch das Auswärtige Amt unddas BAMF*
Angesichts der eskalierenden und sich täglich verschlechternden
Situation in Afghanistan und der Erkenntnisse einer heute
veröffentlichten Studie zur Gefährdungslage Abgeschobener fordert PRO
ASYL das Auswärtige Amt auf, sofort einen neuen Lagebericht zu
Afghanistan zu erstellen. Die Abschiebungen müssen gestoppt werden,
zunächst der für Dienstag, 8. Juni, geplante Flug, aber auch alle
weiteren. Die Studie, herausgegeben von Diakonie und Brot für die Welt,
legt nahe, dass es immer mehr Gründe gibt, die Richtigkeit der
bisherigen Ablehnungs- und Abschiebungsentscheidungen anzuzweifeln und
beim Bundesamtfür Migration und Flüchtlinge (BAMF) Folgeanträge zu
stellen. Der Vollzug von Abschiebungen basiert häufig auf
zurückliegenden negativen BAMF-Entscheidungen. Doch nun liegen neue
Gefährdungsgründe vor, die berücksichtigt werden müssen. PRO ASYL
fordert das BAMF daher auf, diese neuen Erkenntnisse einzubeziehen und
die oft kurzfristig gestellten Folgeanträge sorgfältig zu prüfen.
Die Reaktion des Bundesinnenministeriums (BMI) auf die aktuellen
Entwicklungen ist "unglaublich", so Günter Burkhardt, Geschäftsführer
von PRO ASYL: „Anstatt realistisch die Situation in Afghanistan zu
reflektieren, herrschtstoische Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal
der Abgeschobenen. Fakten dürfen nicht länger verschwiegen werden, die
Abschiebeflüge müssen ein Ende haben.“PRO ASYL ruft deshalb mit anderen
Organisationen für morgen zumProtest
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die Abschiebungen nach Afghanistan auf.
Das BMI hat laut ARD-Tagesschau
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die Studie und die Entwicklungen reagiert und formuliert, die
Bundesregierung verfolge "die Entwicklung in Afghanistan sorgfältig. Wie
sich der Abzug der internationalen Truppen auf die Lage im Einzelnen
auswirken wird, kann allerdings derzeit noch nicht abgeschätzt werden."
Burkhardt hierzu: „In eine zusehends eskalierende Lage, in der die
Taliban mit Terror und Attacken den Abzug der NATO begleiten, darf
niemand abgeschoben werden. Die westlichen Truppen werden evakuiert und
in Sicherheit gebracht, gleichzeitig soll in ein Kriegs- und
Krisengebiet abgeschoben werden, in dem sich die Situation täglich
zuspitzt. Das kann und darf nicht sein.“
Gerichte bestätigen: Abschiebungen nach Afghanistan sind unzumutbar
Im Lagebericht des Auswärtigen Amts von Juli 2020, auf dessen Grundlage
das BMI die Lage für Abzuschiebende einschätzt, heißt es laut
tageschau.de : Dem Auswärtigen Amt seien "keine Fälle bekannt, in denen
Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von
Gewalttaten wurden". Das ist mehr als verwunderlich, denn auch nach den
Erkenntnissen der Langzeitrecherche sind aus Deutschland abgeschobene
Afghanen einer erneuten Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt.//Ihnen
wird wegen der Flucht nach Europa Verrat, Verwestlichung, unmoralisches
Verhalten oder die Abkehr vom Islam vorgeworfen, heißt es in der am 4.
Juni veröffentlichten Studie. Eine neue, für Asylanträge fundamental
wichtige Erkenntnis ist: Den Abgeschobenen fehlt das für das Überleben
notwendige soziale Netz. Gerichte, darunter auch der
Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg, haben festgestellt,
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dass abgelehnten Afghanen eine Rückkehr ohne ein stabiles familiäres
oder soziales Netzwerk in Afghanistan nicht zuzumuten ist.
Die Studie wurde von der Afghanistan-Gutachterin Friederike Stahlmann
von der Universität Bern verfasst und dokumentiert die Erfahrungen
zwischen Dezember 2016 und März 2020. Sie berücksichtigt noch nicht die
sich täglich verschärfende Situation nach Bekanntgabe des Abzugs der
westlichen Truppen sowie die Folgen der Coronapandemie.
Trotzdem halten das BMI und eine Reihe von Bundesländern bisher an
Abschiebungen fest. Der für Dienstag vorgesehene Abschiebeflug wäre der
39. Flug seit Wiederaufnahme der Sammelabschiebungen im Dezember 2016.
In den letzten vier Jahrenwurden insgesamt 1035 afghanische Männer in
das Bürgerkriegsland zurückverfrachtet.
Weitere Verschärfung der Sicherheitslage durch den Abzug der
internationalen Truppen
Die Befürchtungen, dass das Land nach dem am 4. Juli vollendeten
Truppenabzug der USA vor einer völlig neuen, weiter eskalierenden Lage
steht, bewahrheiten sich.Seit Beginn des offiziellen Abzugs der
internationalen Truppen aus Afghanistan
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Anfang Mai hat sich die Gewalt im Land intensiviert. Die Taliban
starteten in mehreren Provinzen Offensiven. Täglich werden Zivilisten
Opfer des Konflikts. Zehntausende Menschen mussten UN-Angaben zufolge in
den vergangenen Wochen aus ihren Dörfern und Städten vor den Kämpfen
fliehen. Beobachter warnen, dass sich die Sicherheitslage in dem Land
nach dem vollständigen Abzug der Nato-Truppen
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noch verschlechtert. US-Außenminister Antony Blinken äußerte gegenüber
CNN
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Befürchtung, das Land könne in einem Bürgerkrieg versinken und die
erneute Machtübernahme durch die Taliban drohen. Expert*innen
desAfghanistan Analyst Networks sehen ein hohes Gefährdungspotential für
die afghanische Zivilbevölkerung. Angaben des afghanischen
Nachrichtendienstes /Tolonews/ zufolge wurden Anfang Mai innerhalb von
nur 24 Stunden 141 Angriffe durch die Taliban gezählt. Im ersten Quartal
2021 wurden mehr als 570 Zivilisten getötet und 1210 verwundet. Das sind
fast 30 Prozent mehr als ein Jahr zuvor
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Auch die wirtschaftliche Situation in Afghanistan ist desaströs und hat
sich durch die Covid-19-Pandemie massiv verschlechtert. Laut dem
stellvertretenden UN-Chef für humanitäre Hilfe
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hat sich die Zahl der Menschen in Not in Afghanistan von 9,4 Millionen
Anfang 2020 auf 18,4 Millionen im Jahr 2021 verdoppelt – bei einer
Bevölkerung von 40,4 Millionen. Im März 2021 befanden sich danach fast
17 Millionen Menschen in einer Krise oder einem Notstand der
Ernährungssicherheit.
Zur Studie „Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen im
Kontext aktueller politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen
Afghanistans“ sowie Fallbeispielen:
www.diakonie.de/journal/erfahrungen-und-perspektiven-abgeschobener-afghanen
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Informationen zum morgigen Aktionstag:
https://www.proasyl.de/pressemitteilung/bundesweiter-aktionstag-gegen-abschiebungen-nach-afghanistan/
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PRO ASYL steht Ihnen für Rückfragen und weitere Informationen gern zur
Verfügung:
069 / 24 23 14 30 I presse at proasyl.de <mailto:presse at proasyl.de>I
www.proasyl.de
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